Banking und Finanzierung

Inflation: Absicherung ist Pflicht

Wie sich Unternehmen auf die anhaltend hohe Teuerung einstellen können.

Es sind Werte, wie sie Wirtschaft und Verbraucher seit vielen Jahren nicht mehr gesehen haben: 2021 kletterte die durchschnittliche jährliche Inflationsrate in Deutschland erstmals seit fast 30 Jahren über die 3-Prozent-Marke. 2022 lag sie sogar bei 6,9 Prozent (vor Revision des Verbraucherpreisindex: 7,9 Prozent). Besserung ist bislang nicht in Sicht: In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im Februar 2023 wie schon im Januar um 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau. In der Eurozone legten sie im Februar um 8,5 Prozent zu (Januar 8,6 Prozent). Die um Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Kerninflation erreichte in der Eurozone im Februar mit 5,6 Prozent den höchsten Wert seit Beginn der Währungsunion. Das zeigt: Die Preise sind auf breiter Basis gestiegen, nicht nur für Energie und Nahrungsmittel.

Auch für die Jahre 2023 und 2024 gehen die Prognosen von deutlich erhöhten durchschnittlichen Teuerungsraten aus. Die Bundesregierung etwa erwartet in ihrem Ende Januar vorgelegten Jahreswirtschaftsbericht 2023 für Deutschland im laufenden Jahr eine durchschnittliche Teuerung von 6,0 Prozent; für das nächste Jahr liegt die Inflationsprognose bei 2,8 Prozent.

Auf Unternehmen aller Größenordnungen können sich hohe Inflationsraten in vielerlei Hinsicht negativ auswirken, zum Beispiel durch

  • steigende Energiekosten,
  • steigende Einkaufskosten für Rohstoffe und Vorprodukte,
  • steigende Personalkosten durch inflationsbedingt höhere Lohnforderungen,
  • steigende Mietkosten, vor allem bei inflationsindexierten Gewerbemietverträgen,
  • sinkende Margen (aufgrund steigender Kosten) und
  • ein schrumpfendes Anlagevermögen aufgrund negativer Realzinsen.

Umso wichtiger ist es für Unternehmen, jetzt gegenzusteuern und die Folgen einer anhaltend hohen Inflation zu begrenzen. Dafür gibt es eine Reihe möglicher Maßnahmen.

Hohe Inflation managen – 5 Tipps

  1. Inflationssensibilität ermitteln

    Der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Inflationsresistenz sollte immer eine Prüfung sein, wo im Unternehmen sich die Teuerung am stärksten bemerkbar macht. Dementsprechend können die Maßnahmen priorisiert werden.

  2. Kosten weitergeben

    Eine naheliegende Maßnahme ist, inflationsbedingt gestiegene Kosten an Kunden weiterzugeben. Das kann vor allem dann funktionieren, wenn das eigene Unternehmen über eine entsprechende Preissetzungsmacht verfügt, zum Beispiel weil es ein exklusives Produkt beziehungsweise eine einzigartige Dienstleistung anbietet oder andere Alleinstellungsmerkmale am Markt aufweist. Einfacher sind Preiserhöhungen auch dann, wenn sie branchenweit stattfinden. Prüfen Sie, soweit möglich, die Angebote Ihrer Mitbewerber. Wo liegen sie im Vergleich mit Ihren Preisen? Lässt eine große Nachfrage eine Preiserhöhung zu? Lassen sich höhere Preise mit einem besonderen Angebot oder einer durch Auszeichnungen oder positive Bewertungen im Netz belegten herausragenden Qualität stützen?

  3. Preisgleitklauseln vereinbaren

    Um sich bei längerfristigen Aufträgen für den Fall steigender Kosten abzusichern, können Sie versuchen, mit Ihren Kunden index- oder kostenbasierte Preisgleitklauseln zu vereinbaren. Das geht sowohl individualvertraglich als auch im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Alternativ können Sie eine Vorauszahlungsvereinbarung abschließen. Das heißt, Sie kaufen Material, das erst später zur Auftragserfüllung benötigt wird, sofort ein und lassen sich dieses auch sofort von Ihrem Auftraggeber bezahlen. Lassen Sie sich in beiden Fällen am besten zu den Details juristisch beraten. Weitere Informationen zu Preisklauseln finden Sie zum Beispiel auf der Homepage der Industrie- und Handelskammer Schleswig-Holstein.

  4. Kosten senken

    Treiber der Inflation sind auch weiterhin vor allem die Energie- und Nahrungsmittelpreise. Die Energiepreise verteuerten sich im Februar 2023 gegenüber dem Vorjahr um 19,1 Prozent – trotz der Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung. Die Nahrungsmittelpreise stiegen um 21,8 Prozent. Vor allem bei den Energiepreisen scheint ein Rückgang auf das Niveau von vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine nicht absehbar, auch wenn etwa die Gaspreise zuletzt wieder nachgaben. Kurzfristig hilft hier nur, Energie zu sparen. Um die Energiekosten, aber auch zum Beispiel die Ausgaben für Personal langfristig im Griff zu behalten, können Investitionen in die Energieeffizienz sowie Digitalisierung und Automatisierung sinnvoll sein. Beispiele dafür, wie Sie die Energiekosten in Ihrem Betrieb senken können, finden Sie gebündelt im Perspektiven Spezial Energiekrise. Nicht zuletzt können zukunftsgerichtete Investitionen in Anlagen, Maschinen oder auch Gebäude den Inflationsdruck auf vorhandene liquide Mittel abmildern (siehe Punkt 5). Eine weitere – derzeit jedoch schwierige – Option, die Kosten für Energielieferungen zu verringern, kann der Abschluss eines preisgünstigeren Energieliefervertrags sein.

    Steigenden Einkaufskosten für Rohstoffe und Vorprodukte können Sie gegebenenfalls mit einer Änderung Ihrer Einkaufsstrategie von nur einem (Single-Sourcing) auf mehrere Lieferanten (Multi-Sourcing) entgegentreten, wenn sich damit Ihre Verhandlungsposition im Einkauf ohne allzu großen Aufwand verbessern lässt. Außerdem sollten Sie bei Ihrer Liquiditätsplanung berücksichtigen, inwieweit Sie auf der Auftraggeberseite selbst von Preisgleitklauseln betroffen sind.

    Inflationsbegründete Forderungen nach höheren Löhnen sowohl von bestehenden als auch neuen Mitarbeitenden können Sie, so Ihr Unternehmen nicht tarifgebunden ist, möglicherweise durch innerbetriebliche Maßnahmen abfedern, etwa eine Steigerung der Arbeitgebermarke durch flexiblere Arbeitszeitmodelle oder das Angebot zur Arbeit im Homeoffice – Stichwort Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zudem sind bis Ende 2024 steuer- und abgabefreie Inflationsausgleichsprämien in Höhe von insgesamt bis zu 3.000 Euro möglich.

  5. Liquiditätsmanagement und Finanzierungen anpassen

    Ein wichtiger Aspekt bei der Absicherung gegen Inflationsrisiken kann die Anpassung des Liquiditäts- und Forderungsmanagements sein. Dabei gilt es, Außenstände so gering wie möglich zu halten. Denn jede von einem Kunden bei erbrachter Leistung noch nicht beglichene Rechnung entspricht im Prinzip einem Kredit, dessen Gegenwert durch die Inflation stetig sinkt. Eine Möglichkeit, Außenstände zu verringern, ist, Forderungen im Rahmen von Factoring teilweise oder vollständig abzutreten.

    Auf der Finanzierungsseite könnte es sich anbieten, mit den Bankpartnern frühzeitig variable Finanzierungen unter die Lupe zu nehmen und Kredite langfristig über derivative Zinsbindungen, zum Beispiel Zins-Swaps oder Inflations-Swaps, abzusichern. Zudem könnte es sich empfehlen, neue mittel- bis langfristige Kreditlinien zu einem fixen Zinssatz zu vereinbaren, bevor die Kreditzinsen weiter anziehen. Kapitalmarktexperten erwarten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) infolge der anhaltend hohen Inflation die Leitzinsen weiterhin deutlich erhöhen dürfte. Das dürfte auch zu einem weiteren Anstieg der Kreditzinsen führen. Schon Ende 2022 zahlten laut dem FCF Zins- und Kreditmonitor Unternehmen beim Neuabschluss von Kreditfinanzierungen so hohe Zinsen wie seit acht Jahren nicht mehr. Wobei sich das Zinsniveau historisch betrachtet nach wie vor auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau bewegte.

    Hinzu kommt, dass sich dem „Bank Lending Survey“ der EZB zufolge die Kreditvergabebedingungen in Deutschland wie auch in anderen Ländern der Eurozone zuletzt weiter verschärft haben. Grund dafür ist die veränderte Risikolage, die entsprechende Risikomargen seitens der Banken mit sich bringt, was ebenfalls zu einem weiteren Anstieg der Kreditzinsen beitragen kann.

    Nicht zuletzt sollte die Anlagestrategie des Unternehmens überprüft werden. Einer im Februar 2023 veröffentlichten Befragung des „wir – Magazin für Unternehmerfamilien“ zufolge sehen 61 Prozent der Gesellschafterinnen und Gesellschafter großer und mittelgroßer Familienunternehmen in Deutschland die Inflation als größte Bedrohung für das Familienvermögen. Als Inflationsschutz könnten zum Beispiel derivative Finanzinstrumente zum Einsatz kommen. Sprechen Sie diesbezüglich mit Ihrer Bankberaterin oder Ihrem Bankberater.

Ein kleiner Trost zum Schluss: Auch wenn die Inflation in Deutschland und in der Eurozone zurzeit außergewöhnlich hoch ist, im internationalen Vergleich sind die hiesigen Teuerungsraten immer noch moderat. In Ungarn etwa lag der harmonisierte Verbraucherpreisindex im Januar 2023 bei 26 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, in der Türkei bei fast 58 Prozent und in Argentinien sogar bei nahezu 95 Prozent. Spitzenreiter im internationalen Inflationsranking war Simbabwe mit fast 230 Prozent.

So wird die Inflationsrate berechnet

Die Europäische Zentralbank (EZB) definiert Inflation als den allgemeinen Anstieg der Preise für Waren und Dienstleistungen in einer Marktwirtschaft, zum Beispiel der Eurozone oder Deutschland. Um die Preise für einen bestimmten Zeitrahmen vergleichbar zu machen, wird ein fiktiver Warenkorb erstellt. In Deutschland ist das die Aufgabe des Statistischen Bundesamtes. Der deutsche Warenkorb umfasst rund 700 Güterarten, die sämtliche hierzulande von privaten Haushalten gekauften Waren sowie Dienstleistungen repräsentieren. Aus deren Preisen berechnen die Statistiker einen Durchschnittswert, Verbraucherpreisindex (VPI) genannt. Mit welcher Gewichtung die verschiedenen Güterarten in den Gesamtindex einfließen, ist in einem Wägungsschema festgehalten, das von Zeit zu Zeit überarbeitet wird (zuletzt 2023). Der VPI wird einmal im Monat berechnet. Seine Veränderung zum Vorjahresmonat wird als Teuerungsrate oder Inflationsrate bezeichnet und in Prozent angegeben. Ab einer Rate von 20 Prozent sprechen Ökonomen von einer galoppierenden Inflation, steigt sie auf 50 Prozent oder mehr, ist die Rede von Hyperinflation. Gut zu wissen: Von der europäischen Statistikbehörde Eurostat wird zur Berechnung der Inflation ein harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI) genutzt. Deshalb können sich die von Deutschland und der EU veröffentlichten Inflationswerte etwas unterscheiden.

Alle Angaben ohne Gewähr; Stand: März 2023
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