Finanzierung

Insolvenz: Oft Chance für einen Neustart

Wie sich Unternehmen mithilfe einer geplanten Insolvenz sanieren können.

Es ist eine düstere Bestandsaufnahmen: Laut dem Jahresgutachten 2024/25 des Sachverständigenrats für Wirtschaft ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt von 2019 bis 2024 real um nur insgesamt 0,1 Prozent gewachsen. Das deutsche Produktionspotenzial liegt demnach um mehr als 5 Prozent unter dem Wert, der im Jahr 2019 für das Jahr 2024 erwartet wurde. Auch 2025 sei nur mit geringem Wachstum zu rechnen.

Vor diesem Hintergrund haben 2024 bereits deutlich mehr Unternehmen Insolvenz angemeldet. Der Kreditversicherer Allianz Trade erwartet auf Jahressicht einen Anstieg der Insolvenzen gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent. Im Zuge der anhaltenden wirtschaftlichen Flaute könnten die Firmenpleiten 2025 um weitere 4 Prozent zunehmen. Erst 2026 sei hier mit etwas Entspannung zu rechnen.

Chancen für einen Neustart

Die Aussicht, insolvent zu werden, ist für die meisten Unternehmer ein Schreckensszenario. Dabei muss eine Insolvenz nicht unbedingt eine Katastrophe sein, die mit der Aufgabe des Unternehmens endet. Sie bietet Unternehmen auch die Möglichkeit, geordnet ihre finanzielle Handlungsfähigkeit zurückzuerlangen und nach durchlaufenem Verfahren saniert weiterzumachen. Statt den Kopf in den Sand zu stecken, ist es oft sinnvoll, die Chancen und Herangehensweisen, die das Insolvenzrecht kriselnden Unternehmen bietet, aktiv zu nutzen.

Zeichnet sich ab, dass Schulden oder Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern nicht mehr beglichen werden können, ist es ratsam, sich zunächst mit einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer mit Insolvenzrecht-Expertise auszutauschen. Dieser hilft bei der Ermittlung des Insolvenzstatus und begleitet im besten Fall das zukünftige Verfahren. Gängige Verfahren sind neben der Regelinsolvenz die Insolvenz in Eigenverwaltung und die Insolvenz im Schutzschirmverfahren. In beiden Varianten verbleibt die Leitung des Betriebs weitgehend in den Händen der bisherigen Geschäftsführung. Wichtig: Um Sanierungschancen optimal nutzen zu können, sollte der Insolvenzantrag in jedem Fall so früh wie möglich gestellt werden.

Es gibt darüber hinaus bei einer sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz zwei weitere Vorgehensweisen für Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften, um die Leitung des Betriebs zu behalten und selbst an der Sanierung zu arbeiten:

  1. Die Freigabe des Betriebs aus der Insolvenzmasse. Gegen die Zahlung einer gewissen Summe kann die Firma vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse entlassen werden. Der Unternehmenskauf erfolgt durch eine Betriebsübernahmegesellschaft und wird als sogenannter „asset deal“ ausgestaltet. Dies bedeutet, dass Wirtschaftsgüter (englisch: „assets“) wie Grundstücke, Gebäude, Anlagen, Maschinen, Patente und Vorräte erworben und auf den Käufer übertragen werden.
  2. Gründung einer Auffanggesellschaft. Vor der Zahlungsunfähigkeit und einem möglichen Insolvenzantrag gründet der Inhaber oder Geschäftsführer eine Auffanggesellschaft. Hier stellt er sich selbst an. Dieser Schritt sollte unbedingt juristisch begleitet werden.

So läuft die Regelinsolvenz ab

Nach dem Stellen des Insolvenzantrags beginnt zunächst ein Eröffnungsverfahren, das in erster Linie dem Schutz der Insolvenzmasse dient. In dieser Phase werden die Verfahrensvoraussetzungen geprüft: Der Insolvenzantrag wird danach entweder abgelehnt oder das Insolvenzverfahren wird durch gerichtlichen Beschluss eröffnet. Ist Letzteres der Fall, übernimmt ein Insolvenzverwalter die Geschäfte mit dem Ziel, die Forderungen der Gläubiger weitestgehend zu befriedigen. Dazu stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung: die Sanierung des Betriebs, der Verkauf und die Zerschlagung des Unternehmens. Mit dem Eröffnungsbeschluss werden die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen innerhalb einer Frist von höchstens drei Monaten beim Insolvenzverwalter anzumelden und etwaige Sicherungsrechte mitzuteilen. Schuldner sind angehalten, Zahlungen nur noch an den Insolvenzverwalter zu leisten.

Neue Regeln für die Zahlungsunfähigkeit

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Juni 2022 geurteilt, dass die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit, gestützt auf „mehrere tagesgenaue Liquiditätsstatus in aussagekräftiger Anzahl“, zulässig ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2022 - II ZR 112/21). Bislang musste die Zahlungsunfähigkeit mit einem Berechnungsansatz ermittelt werden, der in Form einer Liquiditätsbilanz die Aktiva I zuzüglich im dreiwöchigen Prognosezeitraum zufließender Aktiva II den Verbindlichkeiten gegenüberstellt. Wenn ein Unternehmen innerhalb des Prognosezeitraums nicht mindestens 90 Prozent seiner Verbindlichkeiten bedienen konnte, galt es als zahlungsunfähig und musste einen Insolvenzantrag stellen. Gemäß der BGH-Entscheidung ist es jetzt auch möglich, an jeweils drei Stichtagen innerhalb eines dreiwöchigen Zeitraumes einen vereinfachten Liquiditätsstatus zu erstellen. Hierfür werden einfach die Aktiva I (zum Stichtag präsente Geldmittel aus Kasse, Bank und Forderungen) und die Passiva I (zum Stichtag fällige Verbindlichkeiten) einander gegenübergestellt. Ein Betrieb ist danach zahlungsunfähig, wenn ausgehend vom Stichtag an mehreren Tagen im Prognosezeitraum eine Liquiditätslücke mit einer erheblichen Unterdeckung ausgewiesen wird, die nicht geschlossen werden kann.

Die Chancen, ein Unternehmen durch ein geordnetes Insolvenzverfahren vor der endgültigen Pleite zu retten, stehen übrigens nicht so schlecht. Das zeigt ein Beispiel: Von 117 großen Unternehmen (Umsatz größer als 20 Mio. Euro), deren Insolvenzverfahren im Jahr 2023 abgeschlossen wurde, konnten gemäß dem „Finance“-Insolvenzreport der Restrukturierungsberatung Falkensteg 84 Firmen durch einen Insolvenzplan oder den Verkauf vorerst gerettet werden. Das ist eine Rettungsquote von mehr als 70 Prozent. 

 

Stand: Dezember 2024; alle Angaben ohne Gewähr.
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