Digitalisierung

Kollege KI

Was generative künstliche Intelligenz wie ChatGPT kleinen und mittleren Unternehmen zu bieten hat.

„In letzter Zeit ist es zu Preiserhöhungen bei unseren Produkten gekommen. Dies ist vor allem auf höhere Rohstoffkosten, gestiegene Transportkosten und steigende Arbeitskosten zurückzuführen. Wir haben alles unternommen, um die Preiserhöhung so gering wie möglich zu halten. Wir verstehen, dass Preiserhöhungen nie eine angenehme Nachricht sind, aber wir möchten Ihnen versichern, dass wir weiterhin qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen zu fairen Preisen anbieten werden. Wir schätzen Ihre Loyalität und Ihr Vertrauen in unser Unternehmen. Bitte zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, wenn Sie Fragen haben oder weitere Informationen benötigen.“

Viele Firmen verschicken derzeit Texte solchen oder ähnlichen Inhalts an ihre Kundinnen und Kunden; diesen speziellen hat in Sekundenschnelle ChatGPT formuliert, der erste öffentlich verfügbare Chatbot auf Basis generativer künstlicher Intelligenz (KI). Dafür war lediglich die Eingabe der Stichworte „Brief, Kunden, Preiserhöhung Produkte erklären“ in die ChatGPT-Benutzerfläche erforderlich.

Seit seiner Einführung im November 2022 versetzt ChatGPT nicht nur die IT-Community und Wissenschaftler, sondern auch die Wirtschaft in Entzücken. Die blitzschnell erstellte Vorlage für ein Kundenanschreiben ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie generative KI den Geschäftsalltag erleichtern kann. Experten erwarten von generativer künstlicher Intelligenz große Effizienzsteigerungen, vor allem in kognitiven Arbeitsfeldern wie der Texterstellung, dem Grafikdesign oder der Programmierung (ChatGPT beherrscht auch Programmiercodes), aber auch in der Buchhaltung oder der Unternehmensberatung. „Es sind Entlastungs-, vor allem aber Rationalisierungseffekte erstmals auch in Branchen möglich, die bislang kaum von der Automatisierung durch Informations- und Kommunikationstechnologien betroffen waren“, heißt es dazu in einem Hintergrundpapier des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages. Doch was genau ist eigentlich ChatGPT und wie kann man den Chatbot nutzen?

Eine Maschine, die denken kann wie ein Mensch

Entwickelt wurde ChatGPT vom US-amerikanischen Start-up OpenAI mit Sitz in San Francisco. Dessen größter Investor ist aktuell der Softwarekonzern Microsoft. GPT steht für „Generative Pre-Trained Transformer“, zu Deutsch in etwa „generativer, vortrainierter Transformator“. Hinter der für IT-Laien kryptischen Bezeichnung verbirgt sich ein Computer- bzw. Sprachmodell, das auf Basis eines dem menschlichen Gehirn nachempfundenen sogenannten neuronalen Netzwerks Sprache verstehen und erzeugen kann. Dazu gehören auch Programmiercodes. Das System wird dafür mit gewaltigen Datenmengen trainiert und deshalb auch als „Large Language Model“ (deutsch: großes Sprachmodell) bezeichnet. In seiner neusten Version GPT-4 kann ChatGPT auch multimediale Eingaben wie Bilder erfassen.

Wird über die Benutzeroberfläche eine Anforderung (englisch: prompt) an ChatGPT gestellt, greift die Software auf die „vortrainierte“ Datenbank, quasi ihr Gehirn, zu und „transformiert“ passende Inhalte so, dass ein Text oder Programmiercode dabei herauskommt. Wie gut das funktioniert, zeigte unter anderem ein Professor an der US-amerikanischen University of Pennsylvania: Er ließ ChatGPT kurz nach dessen Veröffentlichung eine typische Examensarbeit schreiben. Das Ergebnis: Die KI bestand den Test mit einer Note 2 bis 2 minus nach deutschem Schulsystem.

Über die Chancen und Risiken von ChatGPT haben wir mit dem Neuroinformatiker Ralf Walther gesprochen.

3 Fragen an …

… Ralf Walther, Neuroinformatiker und Data-Scientist sowie Gründer und Geschäftsführer der auf die Entwicklung von intelligenten Datenanalysesystemen spezialisierten mindUp Web + Intelligence GmbH in Konstanz

Wofür können insbesondere kleine und mittlere Unternehmen ChatGPT einsetzen?

ChatGPT kann Unternehmerinnen und Unternehmer sowie ihre Beschäftigten bei allen Aufgaben unterstützen, die mit Sprache allgemein und mit Texten im Besonderen zu tun haben. Das können Mails und Briefe an Mitarbeitende, Bewerber und Geschäftskunden, Reden und Vorträge, Newsletter, Blog- und Mediaposts, Twitter-Nachrichten oder Texte für die Unternehmenswebseite sowie das Marketing sein. Auch für das Sammeln von Informationen und Ideen, die Suchmaschinenoptimierung sowie für die Erstellung von Abstracts, also Zusammenfassungen von zum Beispiel Studien, ist ChatGPT gut geeignet. Die Kernaussagen langer Texte lassen sich innerhalb von Sekunden zusammenfassen. Das spart viel Zeit.

Was sollte man bei der Arbeit mit ChatGPT beachten?

Die Eingaben liefern den Kontext für das, was am Ende herauskommt. Je besser, genauer und durchdachter eine Anfrage formuliert ist, desto besser ist folglich die Qualität der Texte. Außerdem zeigt die Erfahrung: Kürzere Eingaben werden in der Regel besser verwertet als längere. In jedem Fall sollten die Nutzerinnen und Nutzer die Ergebnisse einer ChatGPT-Anfrage stets sorgfältig prüfen – besonders wenn sie in spezielleren fachlichen Bereichen unterwegs sind. Denn auch künstliche Intelligenz arbeitet nicht immer fehlerfrei.

Welche Grenzen hat ChatGPT

Noch befindet sich die Arbeit mit ChatGPT in einer rechtlichen Grauzone. Insbesondere wenn es um Datenschutz oder Copyrights geht, sind viele Fragen bislang nicht geklärt. Nutzerinnen und Nutzer sollten sich darüber im Klaren sein, dass alles, was sie bei ChatGPT eingeben, an das US-Start-up OpenAI übertragen und dort als Trainingsmaterial genutzt wird, sofern man dies nicht explizit untersagt. Achtsamkeit bei der Weitergabe von Informationen sollte daher oberste Priorität haben. Einigkeit besteht darüber, dass die Entwicklung dialogbasierter digitaler Werkzeuge wie ChatGPT rasant fortschreiten und viele Arbeitsprozesse schneller und einfacher machen wird. Damit verändern sich auch Jobs, der Begriff „industrielle Revolution“ ist hier somit nicht fehl am Platz.

KI-Wettlauf mit Risiken

Neben ChatGPT drängen bereits weitere KI-Chatbots auf den Markt. Googles „Bard“ soll demnächst in mehr als 180 Ländern an den Start gehen. Der „Large Language Model Meta AI“, kurz LLaMA, des Facebook- und Instagram-Mutterkonzerns Meta steht bereits ausgewählten Testgruppen zur Verfügung. Eine weiter ChatGPT-Alternative könnte YouChat des vom deutschen KI-Experten Richard Socher gegründeten Unternehmens You.com sein.

Klar ist: Nicht alles, was ChatGPT generiert, ist perfekt. Und die Technologie birgt auch Risiken. Davor warnt zum Beispiel Dr. Steffen Albrecht vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in einer umfassenden Studie zu ChatGPT und anderen Computermodellen zur Sprachverarbeitung.
So könnten ChatGPT und vergleichbare Programme dazu genutzt werden, wissenschaftliche Arbeiten zu fälschen oder in Massen ideologisch beeinflusste Falschnachrichten (Fake News) zu reproduzieren.

Die EU-Polizeibehörde Europol warnt, dass KI-Anwendungen für Betrugsversuche und andere Cyberverbrechen genutzt werden könnte. Das Europaparlament fordert bereits, unter bestimmten Umständen KI-Anbieter dazu zu verpflichten, die Quellen und Funktionsdetails ihrer Systeme offenzulegen.

So können Sie ChatGPT testen

Die revolutionäre Technologie selbst auszuprobieren, ist ganz einfach. So gehts:

  1. Öffnen Sie die OpenAI-Internetseite unter https://chat.openai.com. Klicken Sie auf „Sign up“ und geben Sie Ihre Mailadresse ein. Alternativ können Sie Ihren Google- oder Microsoft-Account als Zugang nutzen.
  2. Verifizieren Sie Ihre Mailadresse mithilfe der an Sie gesendeten Bestätigungsmail. Geben Sie Ihre Telefonnummer an, um Ihr Konto zu bestätigen. Sie erhalten dann per SMS einen Bestätigungscode auf Ihr Handy. Geben Sie diesen auf der ChatGPT-Website ein.
  3. Sobald Sie eingeloggt sind, kann es unter „+ New chat“ mit der Eingabe losgehen. Um ChatGPT sinnvoll nutzen zu können, müssen Sie „prompten“. Prompts sind kurze, möglichst konkrete Befehle oder Fragen, die man bei ChatGPT eingibt, damit das Tool eine Antwort ausspuckt.

Viel Spaß beim Ausprobieren!

Tipp: Im Rahmen der Initiative #GemeinsamDigital bieten die IHKs kostenlose Weiterbildungsangebote zum Thema KI-Technologien an. Infos unter www.dihk.de

Stand: Alle Angaben ohne Gewähr; Stand: Mai 2023
Bildnachweis: iStockphoto (EvgeniyShkolenko, stockcam)