Energie und Nachhaltigkeit
Teilen, tauschen, abwechseln
Es war eine ebenso geniale wie lukrative Idee: 2013 gründete der Berliner Wirtschaftsprüfer Dirk Fehse das Start-up PaulCamper, eine der ersten Plattformen für die Vermietung von privaten Campingbussen, Wohnmobilen und Caravans in Deutschland. 2022 verkaufte Fehse sein Unternehmen an den australischen Mitbewerber Camplify. Heute ist er einer der größten Anteilseigner und Chief Investment Officer bei der börsennotierten Camplify Holding.
PaulCamper, benannt nach dem Namen, den Firmengründer Fehse seinem ersten eigenen Campmobil gegeben hatte, zählt zur sogenannten Sharing Economy, zu Deutsch „Ökonomie des Teilens“. Ganz neu ist das Prinzip der Sharing Economy nicht: Die Maschinenringe der Landwirtschaft etwa ermöglichen in Deutschland schon seit den späten 1950er-Jahren die zentral organisierte gemeinsame Nutzung von Landmaschinen.
Heute werden entsprechende Nutzungsmodelle unter den Labeln Sharing Economy, Share Economy oder kollaborativer Konsum bzw. KoKonsum zusammengefasst. Darunter versammelt sich eine große Bandbreite von Angeboten. Sie reicht vom nichtkommerziellen ehrenamtlich organisierten Foodsharing, bei dem überschüssige Nahrungsmittel von Supermärkten, Restaurants und Privatpersonen gespendet und kostenlos an Bedürftige verteilt werden, über die gebühren- oder provisionspflichtige Bereitstellung von Plattformen zur Vermietung von privat an privat (siehe PaulCamper oder Airbnb) bis hin zu rein kommerziellen Angeboten wie dem Carsharing der Automobilkonzerne.
Trotz der teilweisen Kommerzialisierung ist für die Verfechter der Sharing Economy diese nach wie vor eng mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit verbunden. Denn im Rahmen der Ökonomie des Teilens werden Ressourcen, die ihre Eigentümer gerade nicht benötigen, anderen zur Verfügung gestellt – und dadurch nachhaltiger genutzt. Kritiker bemängeln dagegen, dass etwa kommerzielle Carsharing-Angebote eher dazu beitragen könnten, dass mehr Menschen Auto fahren. Auch wenn dabei zunehmend elektrisch betriebene Fahrzeuge zum Einsatz kommen, sei der Individualverkehr immer noch weniger nachhaltig, als öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
Unter kommerziellen Gesichtspunkten kann die Sharing Economy in drei grundsätzliche Geschäftsmodelle gegliedert werden.
Die drei Geschäftsmodelle der Sharing Economy
Die Sharing Economy bietet Unternehmen viele Vorteile, sei es als Anbieter oder als Nutzer. Dabei lassen sich drei grundsätzliche Kategorien unterscheiden.
Potenzial auch für den Mittelstand
Einer Studie des Marktforschungsunternehmens Business Research Insights zufolge betrug das globale Marktvolumen der Sharing Economy im Jahr 2023 rund 197 Milliarden US-Dollar. Bis 2032 könnte es demnach um jährlich durchschnittlich 32 Prozent auf rund 2,4 Billionen US-Dollar wachsen. Eine kreative Geschäftsidee vorausgesetzt, ist der Einstieg in die Sharing Economy oft vergleichsweise einfach. „Aufbau und Bewerbung einer Online-Plattform sind Anfangsinvestitionen, denen auch bei steigender Nutzung kaum weitere Kosten folgen“, betonen die Autoren der Untersuchung „Sharing Economy – Chancen, Risiken und Gestaltungsoptionen für den Arbeitsmarkt“ des Bonner Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Sei eine Sharing-Plattform erst einmal aufgebaut, ließe sich deren Kapazität stückweise erweitern.
„Die Sharing Economy stellt auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine einmalige Chance dar, ungenutztes Potenzial auszuschöpfen und langfristig auch international höchst konkurrenzfähig zu bleiben“, schreibt Dr. Jonas P. Metzger, Leiter des Mittelstand-Digital Zentrums Kaiserslautern, im Vorwort des Handbuch Sharing Economy. Mittelständische Unternehmen sollten die Chancen der Sharing Economy „nicht verschlafen“, da sie zu geringeren Investitionskosten, einer höheren Auslastung und neuen Geschäftsmodellen führen könnten, betonen die Experten des Zentrums. In Zeiten steigender Rohstoff- und Energiepreise müssten KMU Wege finden, ihre Ressourcen nachhaltig und effizient einzusetzen. Die Sharing Economy könne eine Möglichkeit sein, genau das zu tun und darüber hinaus monetär zu profitieren. In dem von der Technologie-Initiative SmartFactory KL e. V. in Kooperation mit dem Mittelstand-Digital Zentrum Kaiserslautern herausgegebenen Handbuch erläutern die Experten, wie mittelständische Unternehmen die Vorteile der Sharing Economy nutzen können.
Ein Beispiel dafür sind Weinkellereien in Rheinland-Pfalz, die Winzern gegen Entgelt ihre Produktionsanlagen zur Verfügung stellen. So wird es einerseits kleineren Winzerbetrieben ermöglicht, ohne größere Investitionen selbst Wein zu vertreiben, andererseits können die Eigentümer der Kellereien Leerzeiten, in denen sie nicht selbst produzieren, ausgleichen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.
Stand: Oktober 2024; alle Angaben ohne Gewähr
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