Corona aktuell
Forderungen richtig managen in der Krise
Die gute Nachricht vorweg: 2021 haben so wenig Unternehmen wie noch nie seit der Einführung der Insolvenzordnung (InsO) im Jahr 1999 Insolvenz angemeldet. Die Zahl der Pleiten sank Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zufolge um 10,8 Prozent auf 14.300 Fälle. Trotz des Russland-Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft verblieb die Zahl der Unternehmensinsolvenzen mit 7.300 auch im ersten Halbjahr 2022 auf einem niedrigen Niveau. Damit haben sich Sorgen vor einer coronabedingten Insolvenzwelle, wie sie unter anderem die Bundesbank befürchtet hatte, nicht bestätigt. Allerdings wurde die Wirtschaft durch staatliche Eingriffe und Finanzhilfen massiv gestützt. „In Teilen der deutschen Unternehmenslandschaft sehen wir jedoch Auswirkungen der Verwerfungen“, berichtet Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Insbesondere bei Großunternehmen gebe es einen Anstieg der Insolvenzmeldungen.
Zudem sei eine hohe Zahl an Insolvenzen von (ehemals) Selbstständigen zu beobachten. Diese durchlaufen meist ein vereinfachtes Insolvenzverfahren, das nicht als Unternehmensinsolvenz gezählt wird. Die staatlichen Finanzhilfen hätten hier nur wenig Entlastung gebracht und seien kein nachhaltiger Ersatz für erwirtschaftete Umsätze gewesen.
Im weiteren Jahresverlauf 2022 könnte sich die Lage bei den Insolvenzen verschärfen: Die konjunkturellen Rahmenbedingungen haben sich durch den Krieg in Osteuropa, die angebotsseitigen Preisauftriebe und die begonnene Zinswende deutlich verschlechtert und die Wirtschaft wird kaum noch wachsen. Das werde laut den Creditreform-Experten nicht ohne Folgen für die Insolvenzentwicklung bleiben.
Mehr Forderungsausfälle möglich
Die Zahl der Unternehmenspleiten könnte also zunehmen, wenn die staatliche Unterstützung zurückgefahren wird – zumal die jüngsten Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus weitere Unternehmen in Existenznot bringen könnten. Durch mögliche Forderungsausfälle könnten davon auch Unternehmen betroffen sein, die bislang glimpflich durch die Krise gekommen sind. Das gilt insbesondere dann, wenn sich der Unternehmenserfolg im Wesentlichen auf Kunden aus Branchen stützt, die von der Krise besonders stark betroffen sind.
Bei der Insolvenz eines Kunden, muss sich der Lieferant in den meisten Fällen mit einem Bruchteil seiner Forderungen begnügen. Wird mangels Masse erst gar kein Insolvenzverfahren eröffnet, müssen die Außenstände in der Regel abgeschrieben werden. Auch bei einer außergerichtlichen Einigung vor der Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel zumindest ein Teil der Forderung verloren.
10 Tipps für das Forderungsmanagement
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Rechnungswesen digitalisieren
Gerade wenn vermehrt verspätete Zahlungseingänge und Zahlungsausfälle zu erwarten sind, ist es wichtig, den Überblick zu behalten. Dabei hilft die Digitalisierung des Rechnungswesens. Dafür kommen zum Beispiel abobasierte Cloudlösungen infrage, die sich je nach Bedarf modular erweitern lassen. Postbank Geschäftskunden können hier von exklusiven Kooperationen profitieren.
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Zahlungseingänge regelmäßig kontrollieren
Bei Zahlungsausfällen von Kunden sollte sofort reagiert werden. Bei guten Kunden hilft häufig schon ein Gespräch. Nach wiederholter erfolgloser Zahlungsaufforderung muss ein Mahnbescheid beantragt werden. Bei schwierigen Fällen kann ein Inkasso-Unternehmen hinzugezogen werden. Seriöse Dienstleister gibt es beim Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen.
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Vorschuss aushandeln
Für den Einkauf von Arbeitsmaterial vor der Aufnahme der Arbeiten kann mit dem Kunden ein Vorschuss ausgehandelt werden; ein Drittel der zu erwartenden Rechnungssumme ist üblich.
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Abschlagszahlungen vereinbaren
Unternehmen, die Waren in Etappen liefern oder Dienstleistungen nach und nach ausführen, können Abschlagszahlungen vereinbaren. Das erhöht nicht nur die Liquidität, sondern sorgt für den Fall der Pleite des Kunden auch dafür, dass erbrachte Leistungen bereits vergütet wurden.
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Eigentumsvorbehalt geltend machen
Bereits gelieferte Waren können bis zur vollständigen Bezahlung Eigentum des Lieferanten bleiben. Im B2B-Bereich wird das durch einen sogenannten Eigentumsvorbehalt mit Verarbeitungsklausel abgesichert. Ein Vorteil: Sollte der Kunde Insolvenz anmelden, gehört diese Ware nicht zur Insolvenzmasse.
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Kreditrahmen erhöhen
In Vorausschau auf mögliche Forderungsausfälle kann es sich empfehlen, rechtzeitig mit der Bank einen größeren Rahmen beim Kontokorrentkredit auszuhandeln. Das erhöht auch den finanziellen Spielraum für den Fall, dass Kunden schleppender zahlen als sonst.
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Forderungen verkaufen
Insbesondere für Unternehmen, die Teil von Lieferketten sind, kann Factoring ein gutes Mittel zur Absicherung gegen Forderungsausfälle sein. Dabei kauft der Factor, in der Regel eine Factoringgesellschaft, fortlaufend die Forderungen eines Unternehmens. Die fälligen Beträge werden zumeist binnen 24 Stunden nach Rechnungsstellung vom Factor ausgezahlt. Für den Service werden in der Regel eine Gebühr und ein Zins für den Zeitraum bis zum Eingang der Zahlung des Debitors beim Factor fällig. Vorteil: Der Factor überprüft die Bonität des Abnehmers und übernimmt die vollständige Absicherung für den Delkrederefall.
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Auf professionelle Bonitätsprüfung setzen
Je mehr Informationen ein Unternehmen über die Bonität eines Kunden hat, desto besser kann es dessen Zahlungsverhalten einschätzen. Vor allem bei Neukunden und größeren Auftragsvolumina sollten Unternehmen für die Bonitätseinschätzung auf die Unterstützung durch Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa oder CRIF Bürgel setzen.
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Verjährungsfristen beachten
Rechtzeitig vor dem Jahreswechsel sollte geprüft werden, für welche Rechnungen die Verjährungsfrist von drei Jahren nach Rechnungsstellung akut wird. Denn danach entfällt die Möglichkeit, Forderungen einzuklagen. Ist eine Forderung uneinbringlich geworden, so kann die bereits an das Finanzamt abgeführte Umsatzsteuer zurückgefordert werden.
Neue Sanierungsmöglichkeit seit 2021
Seit Januar 2021 können Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, ein neues Instrument nutzen, das ihnen vor einer möglichen Insolvenz helfen soll, ihre Geschäfte wieder ins Laufen zu bringen: die sogenannte präventive Sanierung. Dieser Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen im Rahmen des neuen Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts ist für Gesellschaften gedacht, bei denen Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht eingetreten ist. Diese Unternehmen erhalten über die präventive Sanierung die Chance, sich mithilfe eines Restrukturierungsplans neu aufzustellen.
Vorteile:
- Die klassischen Insolvenzantragsgründe sind weitgehend ausgesetzt.
- Das Unternehmen kann ein Moratorium beantragen, welches das Unternehmen zum Beispiel vor Kündigungen der betroffenen Gläubiger schützt.
- Um mit der präventiven Sanierung zu beginnen, braucht das Unternehmen keinen einstimmigen Beschluss seiner Gläubiger. Stellte sich bislang bei Sanierungsplänen ein Gläubiger quer, mussten Unternehmen den Weg über ein sanierendes Insolvenzverfahren gehen. Die neue Regelung sieht vor, dass die Gläubiger nach bestimmten Kriterien in Gruppen zusammengefasst werden. In jeder von ihnen müssen „nur“ 75 Prozent der Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen. Ist außerdem die Mehrheit aller Gruppen mit dem Plan einverstanden, kann die Restrukturierung beginnen.
- Im Gegensatz zu einem Insolvenzverfahren, das sich durch die Beantragung bei Gericht und die Bestellung des Verwalters schnell herumspricht, wird eine präventive Sanierung seltener publik.
Stand: August 2022; alle Angaben ohne Gewähr
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