Investitionen

Lieferkettenprobleme langfristig lösen

Warum Unternehmen jetzt den Ausbau ihrer Lager­kapazitäten prüfen sollten.

Niedrigere Kosten, kurze innerbetriebliche Wege, Reduzierung von „Ladenhütern“: Das sind entscheidende Vorteile eines geringen Lagerbestands oder sogar einer Just-in-time-Beschaffung. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn alle Glieder der Lieferkette perfekt ineinandergreifen. Kommt es zu Störungen in der Supply-Chain, kann das für Unternehmen erhebliche negative Folgen haben. Im schlimmsten Fall steht die Produktion still, weil wichtige Bauteile fehlen. Lukrative Aufträge gehen dann mangels Lieferfähigkeit möglicherweise an die Konkurrenz.

Störanfällige Lieferketten nicht nur in Pandemiezeiten

Nicht nur in Kriegs- und Pandemiezeiten gilt: Je globaler eine Lieferkette aufgestellt ist, desto größer ist ihre Störanfälligkeit – vor allem, wenn nur ein einzelner Lieferant oder Lieferanten aus nur einer Region am Anfang der Kette stehen. Die Bandbreite möglicher Störfaktoren reicht von singulären Problemen beim Lieferanten, etwa einem Produktionsausfall durch Feuer oder Streik, über regionale Ereignisse wie Naturkatastrophen oder politische Unruhen bis hin zu Störungen der Handelsrouten, wie es sie zuletzt infolge der Angriffe jemenitischer Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe im Roten Meer gab.

Lagerstrategien auf dem Prüfstand

Experten empfehlen deshalb vor allem Unternehmen, die von Zulieferungen aus dem Ausland abhängig sind, ihre Lagerstrategie zu überdenken und gegebenenfalls die Lagerhaltung wichtiger Vorprodukte der Just-in-time-Lieferung vorzuziehen. „Neben einer stärkeren Reintegration von Produktionsprozessen in das eigene Unternehmensnetzwerk sollten eine geringere Betonung der Just-in-time-Produktion und ein Ausbau der Lagerhaltung geeignete Maßnahmen sein, um globale Lieferketten robuster gegenüber den verzögerten Auswirkungen von Pandemien zu machen“, schreibt etwa Prof. Dr. Hartmut Egger von der Universität Bayreuth in einem Diskussionspapier des ifo-Instituts. 

Dabei geht es vor allem darum, die möglichen Folgekosten von Lieferausfällen gegen die einer zumindest teilweisen Umstrukturierung der Lieferketten abzuschätzen. Gegen eine Abkehr vom Just-in-time-Prinzip spricht grundsätzlich, dass geringe Lagerbestände die Kapitalkosten und damit die Schulden eines Unternehmens reduzieren – was sich wiederum positiv auf dessen Bonität auswirkt. Eine realistische Schätzung der potenziellen Kosten eines Ereignisses wie der Coronavirus-Pandemie sollte in die Kosten-Nutzen-Kalkulation einer Produktionsverlagerung und/oder Just-in-time-Produktion eingehen, betonen im selben Papier Prof. Dr. Holger Görg und Saskia Mösle vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. In einigen Fällen könne aber eine ausreichende Lagerhaltung günstiger ausfallen als die Organisation der Produktion in weltweiten Wertschöpfungsketten.

Um den Wert der Risikoabsicherung für den Fall von Lieferengpässen gegen den Kapitaleinsatz für die Lagerung abzuwägen, können die folgenden Fragestellungen helfen:

  • Welche Produkte oder Vorprodukte sind für die Produktion besonders wichtig und sollten deshalb immer vorrätig sein?
  • Sind die benötigten Produkte überhaupt lagerfähig (z.B. Lebensmittel)?
  • Welche Lagerkapazitäten stehen aktuell zur Verfügung und werden sie bereits vollständig genutzt?
  • Lässt sich vorhandene Lagerkapazität am Standort erweitern?
  • Was kostet die Anmietung oder der Kauf von Lagerflächen in der Nähe des Produktionsstandorts?
  • Welche Kosten würde der Transport vom Lager zur Produktionsstätte verursachen (Neuanschaffung bzw. Miete sowie Betrieb von Fahrzeugen)?
  • Muss für die Ausweitung der Lagerhaltung neues Personal eingestellt werden (Verfügbarkeit und Kosten)?

Fällt die Entscheidung zugunsten einer erweiterten Lagerhaltung aus, gilt es diese zu finanzieren. Unternehmen stehen dafür verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Verfügung. Mehr Liquidität zur Vorfinanzierung von zum Beispiel Rohstoffen und Vorprodukten oder das Anmieten von Lagerflächen lässt sich zumeist auch kurzfristig über eine Ausweitung der Kreditlinie realisieren. Auch der Forderungsverkauf (Factoring) kann dafür unter Umständen interessant sein. Geht es um Investitionen in eigene Lagerkapazitäten, kommen Investitionskredite oder auch Leasing infrage.

Stand: November 2024; alle Angaben ohne Gewähr
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