Finanzierung
Gesprengte Ketten neu verknüpfen
Die gute Nachricht vorweg: Die Belastungen deutscher Industrieunternehmen durch Lieferengpässe haben im Jahr 2023 deutlich abgenommen. Im Rahmen der ifo Konjunkturumfrage vom Januar 2024 berichteten nur noch 12,5 Prozent der Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe von Materialengpässen. Am vorläufigen Höhepunkt der Lieferkettenproblematik im Dezember 2021 lag dieser Wert noch bei fast 82 Prozent. Nach wie vor am meisten von Lieferengpässen betroffen sind mit rund einem Viertel die Unternehmen aus dem Automobilbausektor. Bei den Herstellern von elektrischen Ausrüstungen und im Maschinenbau sind es je rund ein Fünftel.
Die zuletzt abgenommene Materialknappheit bedeutet laut dem Leiter der ifo Umfragen Klaus Wohlrabe jedoch nicht, dass Firmen das Thema Lieferkettenstörung komplett ad acta legen können. Im Gegenteil: „Die Unternehmen sollten jetzt für künftige Engpässe vorsorgen, die Lieferketten diversifizieren und die Lagerhaltung erhöhen“, riet Wohlrabe bereits im Rahmen der ifo Konjunkturumfrage vom Oktober 2023.
Wie wichtig resiliente Lieferketten weiterhin sind, zeigt sich aktuell durch die Angriffe jemenitischer Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe im Roten Meer. Die Attacken zwingen sicherheitsbewusste Reeder zur Umleitung ihrer Schiffe über das Kap der Guten Hoffnung, was für längere Lieferzeiten und höhere Kosten sorgt. Zwar haben die Angriffe nach Einschätzung von Wohlrabe bis Anfang Februar noch keinen Einfluss auf die Versorgungslage mit Rohstoffen und Vorprodukten gehabt. Aufgrund der langen Transportwege könne jedoch eine Verschlechterung der Situation für die kommenden Monate nicht ausgeschlossen werden. Weltweit erfolgen etwa 90 Prozent der Warentransporte per Schiff – davon normalerweise rund 12 Prozent durch den Suezkanal und damit auch durch das Rote Meer. Dass nicht allein geopolitische Krisen die globalen Schifffahrtswege bedrohen, zeigt das Beispiel Panamakanal: Die Nutzung dieses weiteren bedeutenden Nadelöhrs der globalen Handelsschifffahrt musste zuletzt aufgrund von Niedrigwasser infolge einer Dürre deutlich eingeschränkt werden.
Lieferketten: Abhängigkeiten reduzieren
Lieferkettenstörungen bei Rohstoffen und Vorprodukten können zu teuren Produktionsunterbrechungen oder im schlimmsten Fall zur Stilllegung ganzer Werke führen. Darunter zu leiden haben nicht nur Industrieunternehmen, sondern beispielsweise auch Handwerksbetriebe, die mangels geeigneter Materialien und Produkte laufende Arbeiten nicht fortsetzen können oder neue Aufträge ablehnen müssen.
Ihre Lieferketten komplett zu regionalisieren, dürfte für die meisten international aktiven Unternehmen keine Option sein. Dafür sind die Vorteile der globalisierten Wirtschaft schlichtweg zu groß – für Abnehmer und Lieferanten. Die jüngsten Erfahrungen zeigen jedoch, dass es wichtig sein kann, sich in Sachen Lieferketten langfristig resilienter aufzustellen. Dafür gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten:
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Multiple statt Single Sourcing
Eine Einzelbeschaffungsstrategie („Single Sourcing“) kann für Unternehmen eine Reihe von Vorteilen haben, etwa eine größere Verhandlungsmacht und damit einhergehende Skaleneffekte sowie ein geringerer Verwaltungsaufwand. Erfahrungen zeigen aber, dass Unternehmen, die aus einem Pool von mehreren Lieferanten („Dual“ bzw. „Multiple Sourcing“) schöpfen können, besser durch Krisen kommen als jene, die auf „Single Sourcing“ setzen. Neue Lieferanten an Bord zu holen, hat darüber hinaus noch einen weiteren Vorteil: die bessere Vergleichbarkeit von Preisen. Im Rahmen der ifo Konjunkturumfragen vom November 2023 gaben drei Viertel der Industrieunternehmen an, als Reaktion auf die Lieferkettenstörungen der vorangegangenen Monate die Resilienz ihrer Lieferketten durch eine veränderte Beschaffungsstrategie gestärkt zu haben. Die Diversifizierung von Lieferbeziehungen war dabei die am häufigsten genannte Maßnahme.
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Global diversifizieren
Naturkatastrophen, politische Unruhen und andere Ereignisse, die die Supply Chain stören können, treten zumeist regional begrenzt auf. Selbst in der weltweiten Coronavirus-Pandemie waren verschiedene Regionen zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich stark betroffen. So konnte etwa China seine Restriktionen bereits wieder lockern, als die Infektionszahlen anderswo erst ihren Höhepunkt erreichten. Soweit möglich sollte ein Zulieferernetzwerk also auch regional diversifiziert werden, insbesondere bei dringend erforderlichen Rohstoffen und Vorprodukten.
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De-Globalisierung prüfen
Bei allen Vorteilen der Globalisierung kann eine teilweise De-Globalisierung beziehungsweise Regionalisierung zu mehr Sicherheit in den Wertschöpfungsketten führen. „Die Rückverlagerung von einzelnen Produktionsschritten aus weit entfernten Niedriglohnländern in den eigenen Betrieb oder das Errichten entsprechender Produktionskapazitäten, die sich näher am eigenen Unternehmen befinden, sind Maßnahmen, die zumindest die Abhängigkeit von weit entfernten Produktionsstandorten verringern“, schreibt Dr. Thieß Petersen von der Bertelsmann Stiftung in einem Diskussionspapier des ifo Instituts zum Thema Deglobalisierung. Kürzere Transportwege senken zudem die Transportkosten. In bestimmten Branchen, etwa dem Lebensmitteleinzelhandel, honorieren darüber hinaus die Kunden Angebote aus der Region.
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Lagerstrategie optimieren
Zur Absicherung gegen drohende Lieferengpässe kann es ratsam sein, die verstärkte Lagerhaltung kritischer Vorprodukte der Just-in-time-Lieferung vorzuziehen. Hier muss allerdings zwischen dem Kapitaleinsatz für die Lagerung und der Risikoabsicherung abgewogen werden.
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Lieferantenbeziehungen pflegen
Für eine krisenfeste Supply Chain sind gute Beziehungen zu Zulieferern und Lieferanten Gold wert. Es lohnt sich also, frühzeitig darin zu investieren.
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Kunden informieren
Wenn Ressourcen knapp werden und Lieferengpässe drohen, ist die Kommunikation mit den Kunden essenziell. Bei entsprechend frühzeitiger Information haben diese ihrerseits die Möglichkeit, sich auf Lieferverzögerungen einzustellen und gegebenenfalls Alternativen zu suchen.
Stand: März 2024; alle Angaben ohne Gewähr
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