Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet? Ganz so negativ wie von manchem Politiker prognostiziert ist das am 22. März 2024 vom Bundesrat verabschiedete „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“ in der deutschen Wirtschaft dann doch nicht aufgenommen worden. Zwar beinhaltet das sogenannte Wachstumschancengesetz nach den von Bundestag und Bundesrat gebilligten Ergebnissen des Vermittlungsausschusses nur noch Teile der ursprünglichen Gesetzesvorlage aus dem vergangenen Jahr. Laut einer ersten Einschätzung des DIHK sind die beschlossenen Entlastungen aber „zumindest einmal ein Schritt in die richtige Richtung“.
Unternehmenspraxis
Chancen auf mehr Wachstum?
Was konkret beschlossen wurde
Nach Angaben der Bundesregierung sorgt das Wachstumschancengesetz bei deutschen Unternehmen insgesamt für Entlastungen von jährlich 3,2 Milliarden Euro, insbesondere über zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten. Die wichtigsten Neuerungen für Unternehmen im Überblick:
Verlustvortrag
Die Prozentgrenze bei der Verrechnung von Verlustvorträgen, die über 1 Million Euro hinausgehen, wird von derzeit 60 Prozent auf 70 Prozent für vier Jahre (2024 bis 2027) angehoben. Verlustvorträge bis 1 Million Euro können weiterhin voll verrechnet werden.
Degressive Abschreibung
Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die ab dem 31. März 2024 und vor dem 1. Januar 2025 angeschafft oder hergestellt wurden bzw. werden, wird (wieder) eine degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von bis zu 20 Prozent eingeführt.
Forschungszulage
Die maximale Bemessungsgrundlage (im Wirtschaftsjahr entstandene förderfähige Aufwendungen des Anspruchsberechtigten) der Forschungszulage erhöht sich von derzeit 4 Millionen Euro auf 10 Millionen Euro pro Jahr. Anspruchsberechtigte, die als kleines und mittleres Unternehmen gelten (im Sinne der KMU-Definition Anhang I der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung), können zusätzlich eine Erhöhung der Forschungszulage um zehn Prozentpunkte beantragen. Die Bemessungsgrundlage für in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben steigt von 60 auf 70 Prozent.
Um die Forschungszulage für Einzelunternehmer attraktiver zu machen, wird der förderfähige Wert der geleisteten Arbeitsstunde für Eigenleistungen von 40 Euro auf 70 Euro je Arbeitsstunde angehoben.
Sonderabschreibungen
Künftig sind Sonderabschreibungen in Höhe von insgesamt 40 Prozent (bislang 20 Prozent) für Investitionen in das betriebliche Anlagevermögen zusätzlich zu den regulären linearen Abschreibungen möglich. Das gilt jedoch nur für Unternehmen, deren Gewinn im Vorjahr nicht mehr als 200.000 Euro betragen hat, und für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft/hergestellt wurden.
Umsatzsteuer
Die Umsatzgrenze, bis zu der Unternehmen beantragen können, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Versteuerung) statt nach vereinbarten Entgelten (Soll-Versteuerung) zu berechnen, steigt von 600.000 Euro auf 800.000 Euro.
Umsatzsteuer-Voranmeldung
Unternehmen können ab dem Bemessungszeitraum 2025 von der Pflicht einer vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldung befreit werden, sofern ihre Umsatzsteuer für das vorangegangene Jahr die Schwelle von 2.000 Euro nicht überschritten hat (bisher 1.000 Euro).
Freigrenze für Geschenke
Die Freigrenze für betriebliche Geschenke an andere Personen als Arbeitnehmer steigt von 35 Euro auf maximal 50 Euro.
Eine vollständige und ausführliche Liste aller Gesetzesänderungen durch das Wachstumschancengesetz finden Sie unter anderem im Bundesgesetzblatt oder bei Haufe.
Was aus der Gesetzesvorlage gestrichen wurde
Aus der ursprünglichen Gesetzesvorlage mit rund 50 Einzelmaßnahmen wurden einige wesentliche Punkte gestrichen. Dadurch verringerte sich das jährliche Entlastungsvolumen für Unternehmen von geplanten 6,3 Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden Euro. Das betrifft vor allem die Klimaschutz-Investitionsprämie, die Energieeinsparungen in Unternehmen fördern sollte. Auch die Erhöhung der Wertgrenze für die sofortige Abschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 800 auf 1.000 Euro wurde im Vermittlungsausschuss gekippt. Ebenso die Anhebung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen. Eine Übersicht über die gestrichenen Regelungen finden Sie bei der IHK Hamburg.
Was das neue Gesetz der deutschen Wirtschaft bringt
Die Reaktionen aus der deutschen Wirtschaft auf das Ende März im Bundesrat verabschiedete Wachstumschancengesetz sind insgesamt gemischt – und mahnen gleichzeitig weitere Schritte an. BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner sieht in dem Gesetz „einen ersten Schritt zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen, mehr aber auch nicht“. Für DIHK-Präsident Peter Adrian sollte das Gesetz „vor allem der Auftakt für eine grundsätzliche Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik sein“ – noch vor der Sommerpause bedürfe es einer konkreten Reformagenda mit Entlastungen, die schnell im betrieblichen Alltag ankämen. Schnellere Abschreibungen seien dabei aus ökonomischer Sicht „der Königsweg für mehr Wachstum und Beschäftigung durch mehr Investitionen“. Das sieht Finanzminister Christian Lindner ähnlich und stellte daher weitere Erleichterungen für Unternehmen in Aussicht, da das Entlastungsvolumen kleiner ausgefallen sei als von ihm geplant. Ob er sich mit dieser Forderung politisch wird durchsetzen können, bleibt abzuwarten.
Stand: Mai 2024; alle Angaben ohne Gewähr. Der Artikel ersetzt nicht die steuerliche Beratung.
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