Betriebsführung
Fachkräfte finden und binden
Handwerker, Verkäufer, Logistiker, Service- und Pflegepersonal, IT-Experten: Der Fachkräftemangel in deutschen Unternehmen nimmt immer dramatischere Züge an. Wie eine Erhebung des ifo Instituts zeigt, war im Juli 2022 fast die Hälfte der hiesigen Betriebe vom Fachkräftemangel betroffen – ein neuer Höchststand. Zum Vergleich: Im April waren es noch „nur“ 43,6 Prozent. Was aus Sicht der Verbraucher ärgerlich ist, etwa weil Koffer am Flughafen nicht zeitnah entladen werden können oder für den Einbau einer neuen Heizung monatelang auf einen Handwerkertermin gewartet werden muss, kann für Betrieb zur Existenzbedrohung werden. „Immer mehr Unternehmen müssen ihre Geschäfte einschränken, weil sie einfach nicht genug Personal finden", sagt ifo-Arbeitsmarktexperte Stefan Sauer. Er geht davon aus, dass das Problem mittel- und langfristig noch schwerwiegender wird.
Am stärksten sind mit einem Anteil von rund 54 Prozent aktuell die Dienstleister vom Fachkräftemangel betroffen und hier insbesondere Beherbergungsbetriebe, die Veranstaltungsbranche sowie Lagereibetriebe mit jeweils mehr als 60 Prozent. Im verarbeitenden Gewerbe meldeten rund 45 Prozent der Umfrageteilnehmer fehlendes Fachpersonal. Auch die Hersteller von Datenverarbeitungsgeräten und Metallerzeugnissen finden nur schwer fachkundiges Personal (rund 57 Prozent), ebenso wie der Einzelhandel (rund 42 Prozent). Der Mangel wiegt umso schwerer angesichts der Tatsache, dass viele Unternehmen händeringend Personal suchen, um für kommende Herausforderungen gewappnet zu sein. Wie eine DIHK-Konjunkturumfrage aus dem Frühsommer 2022 zeigt, beabsichtigte zuletzt etwa jedes fünfte Unternehmen, mehr Personal einzustellen. Doch wie finden Betriebe neue Fachkräfte – und wie lassen sich diese langfristig binden? Die Perspektiven Redaktion hat 7 Tipps recherchiert.
7 Tipps gegen den Fachkräftemangel
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Personalarbeit zur Chefsache machen
Nur drei von zehn Unternehmen betreiben eine strategische Personalarbeit. Zu diesem Ergebnis kommt der Personalarbeitsindex des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA), das im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Fachkräftesicherung und der Gestaltung ihrer Personalarbeit unterstützt. Dabei befänden sich kleiner Unternehmen aufgrund ihrer persönlicheren Unternehmenskultur grundsätzlich in einer guten Startposition, um ihre Personalarbeit zukunftssicher aufzustellen. Gerade diese Unternehmen könnten stark profitieren, wenn sie ihre Arbeitgebermarke entwickeln und darauf aufbauend eine klare Strategie ableiten, welche Maßnahmen in der Personalarbeit für ihr Unternehmen besonders erfolgversprechend sind. Zu einer strategischen Personalarbeit zählen zum Beispiel eine gezielte Analyse der eigenen Stärken und Schwächen, die Nutzung neuer Wege zur Rekrutierung oder Qualifizierung von Mitarbeitenden sowie eine vorausschauende Nachwuchsplanung.
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Die eigene Arbeitgeberattraktivität steigern
Wer im Wettstreit um Fachkräfte punkten und Mitarbeiter an sich binden möchte, sollte sich als Arbeitgeber im besten Licht präsentieren. Die Bezahlung spielt dabei längst nicht mehr die einzig entscheidende Rolle. Zur Mitarbeiterzufriedenheit tragen zum Beispiel flexible Arbeitszeitmodelle bei – gegebenenfalls auch die Möglichkeit, im Homeoffice oder mobilen Office zu arbeiten. Das kommt insbesondere dem Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie entgegen. Flache Hierarchien und ein wertschätzendes kollegiales Umfeld sollten nicht nur auf dem Papier existieren – neu Kollegen und Kolleginnen machen sich sonst schnell wieder aus dem Staub. Anonymisierte Mitarbeiterbefragungen oder Jahresgespräche als fester Bestandteil der Personalpolitik können dazu beitragen, die richtigen Maßnahmen zur Stärkung der Arbeitgeberattraktivität zu identifizieren.
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Recruiting über Social Media
Soziale Netzwerke bieten eine zeitgemäße Möglichkeit, um mit potenziellen Bewerbern und Bewerberinnen in Kontakt zu treten. Ob Xing, LinkedIn, Facebook, Youtube oder Instagram. Dort lässt sich das eigene Unternehmen zu überschaubaren Kosten einer größeren Zielgruppe präsentieren. Gegebenenfalls können dafür auch Azubis und andere jüngere Mitarbeitende eingespannt werden. Als erste Anlaufstelle für Interessentinnen und Interessenten sollte die Unternehmenshomepage auf Vordermann gebracht werden, etwa durch die Integration eines Bewerberkontaktformulars und Content, der die Vorteile des Betriebs für Mitarbeitende darstellt. Ein Glasereibetrieb aus Niedersachsen schaffte es vor ein paar Jahren, mit einem einfachen bei Facebook hochgeladenen 80-sekündigen Videoclip einen Internet-Hit für die Azubisuche zu landen. Mehrere Hunderttausend Nutzer sahen sich das Video an, in dem der Glaser erst aufmerksamkeitsstark eine Scheibe zu Bruch gehen lässt und dann ganz trocken norddeutsch erzählt, dass ihm die Herkunft und Schulbildung seiner Bewerber egal sei und dass er bei einem guten Ausbildungsverlauf unter anderem 100 Euro mehr als den Tarif in die Lohntüte packen würde.
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Ältere Fachkräfte wertschätzen
Ältere Mitarbeitende sind oft wertvoll, weil sie viel Erfahrung mitbringen. Umso wichtiger ist es, ihnen alters- und alternsgerechtes Arbeiten zu ermöglichen. Dazu gehören zum Beispiel flexible Arbeitszeitmodelle, etwa der Verzicht auf Nachtschichten bei Älteren, Erleichterungen in den Arbeitsabläufen oder Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Auch Benefits wie zusätzlich freie „Opa-Tage“ können helfen, die Arbeitsfähigkeit und den Arbeitswillen älterer Mitarbeiter zu erhalten. Zudem sollten ältere Fachkräfte frühzeitig aktiv in die Aus- und Weiterbildung jüngerer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingebunden werde. Das hilft dabei, wertvolles Fachwissen zu sichern. Mancher Senior ist dadurch möglicherweise auch bereit, dem Betrieb über das Renteneintrittsalter hinaus zur Verfügung zu stehen.
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Weiterbildung intensivieren
Ob Digitalisierung, Umweltschutz oder Nachhaltigkeit: Alle diese Themen erfordern von Unternehmen Anpassungen, von geänderten Produktionsabläufen bis zu neuen Geschäftsmodellen. Lebenslanges Lernen wird somit immer mehr zur Basis für eine dauerhafte Beschäftigungsfähigkeit. Investieren Sie in die Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden. Die werden es Ihnen danken! Beratung zu innerbetrieblichen Weiterbildungskonzepten gibt es bei den IHKs. Die örtlichen Ansprechpartner finden sich im Weiterbildungsportal WIS.
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Ausländische Fachkräfte an Bord holen
Eine Möglichkeit, dem Fachkräfteengpass zu begegnen, ist die Beschäftigung von Fachkräften aus dem Ausland. Umfangreiche Informationen und Beratungsangebote dazu gibt es bei der Bundesagentur für Arbeit. Im europäischen Job- und Informationsportal EURES können Betriebe nach passenden Bewerberinnen und Bewerbern aus EU-Ländern suchen und kostenlos Stellenanzeigen aufgeben. Einen guten Überblick mit Praxisbeispielen und vielen Informationen darüber, was bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte zu beachten ist, verschafft auch das von der Bundesregierung eingerichtete Portal „Make it in Germany“, das sich eigentlich an Bewerber richtet. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurden 2020 zudem neue Möglichkeiten geschaffen, um die Zuwanderung und Beschäftigung von Menschen mit einer qualifizierten Berufsausbildung aus Nicht-EU-Staaten zu erleichtern. Wer Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland anwerben möchte, kann sich an den internationalen Personalservice der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit wenden.
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Ausbildung ausweiten
Auch Auszubildende zu finden ist heute eine Herausforderung. Die richtige Ansprache Jugendlicher und ein zielgruppengerechtes Ausbildungsmarketing sind daher wichtiger denn je (siehe Tipp 3 Social Media). Von Projektwochen über Bewerbungstrainings bis hin zu Betriebsführungen: Durch Schulkooperationen bekommen Sie persönlichen Kontakt zu potenziellen Azubis. Eine weitere Möglichkeit: Bieten Sie spannende Praktika an, bei denen die Jugendlichen nicht nur aufräumen oder fegen, sondern an „richtige“ Aufgaben herangeführt werden.
Ihre Auftragsbücher sind voll, doch es sind keine neuen Mitarbeitenden in Sicht? Und auch die Suche nach passenden Azubis blieb bisher erfolglos? Hilfe gibt es beim Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA). Es unterstützt kleine und mittlere Unternehmen bei der Gestaltung ihrer Personalarbeit. Unter www.kofa.de finden sich viele Handlungsempfehlungen, Checklisten und Praxisbeispiele. Darüber hinaus bietet das KOFA kostenfreie Webinare an.
Stand: September 2022; alle Angaben ohne Gewähr
Aufmacherfoto: iStockphoto / dusanpetkovic