Manchmal sind es vermeintlich kleine Dinge, die Großes bewirken: Am 7. November 1958 meldete Artur Fischer aus der baden-württembergischen Gemeinde Tumlingen den Spreizdübel zum Patent an (Patentschrift-Nr. 1097117). Die von Fischer erfundenen Kunststoffdübel revolutionierten das Bauen und finden sich heute in fast jedem Gebäude. Der 2016 verstorbene Tüftler aus Tumlingen gilt als einer der produktivsten Erfinder aller Zeiten: Er meldete 2.252 Patente und Gebrauchsmuster beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) an. Befestigungssysteme sind bis heute der größte Unternehmensbereich der familiengeführten Unternehmensgruppe fischer, deren Umsatz 2022 erstmals die Eine-Milliarde-Euro-Marke knackte. Das Unternehmen hält nach eigenen Angaben aktuell mehr als 1.500 Schutzrechte. Demnach werden aus der Belegschaft der Unternehmensgruppe in Deutschland 20-mal mehr Patente pro Mitarbeiter angemeldet als im Durchschnitt der deutschen Wirtschaft.
Unternehmenspraxis
Geistiges Eigentum europaweit schützen
Innovationen schützen
Für Unternehmen können Innovationen ein bedeutender Erfolgsfaktor sein. Das beweist nicht nur die Unternehmensgruppe fischer. Was zählt, ist jedoch nicht allein Erfindergeist und die Fähigkeit, diesen in tragfähige Geschäftsideen zu verwandeln: Wichtig ist auch, seine Erfindungen vor Nachahmern zu schützen. Wie dreist geistiges Eigentum nachgeahmt wird, zeigt plakativ der alljährlich vergebene Negativpreis Plagiarius. Zwar können Schutzrechte Unternehmen nicht vor kriminellen Fälschern schützen, aber sie ermöglichen es, sich juristisch gegen absichtliche und unbeabsichtigte Nachahmungen abzusichern. Viele Unternehmen nutzen diese Möglichkeit: 2022 wurden beim DPMA 57.214 Patente angemeldet. Hinzu kommen insgesamt rund 110.000 Anmeldungen der Schutzrechte Marke und Design (siehe unten). Gültig sind diese jedoch nur auf nationaler Ebene. Wer sein geistiges Eigentum innerhalb der Europäischen Union offiziell gesichert wissen wollte, konnte zwar bislang bereits ein europäisches Patent beim Europäischen Patentamt (EPA) anmelden. Dieses musste jedoch in jedem Land, in dem es wirken sollte, einzeln validiert und aufrechterhalten werden – ein aufwendiger und teurer Prozess, der vor allem für kleine und mittlere Unternehmen häufig nicht infrage kam. Das soll sich mit Inkrafttreten des Europäischen Einheitspatents ab dem 1. Juni 2023 ändern.
Das Europäische Einheitspatent
Im Rahmen des Einheitspatents genügt ab sofort ein einziger Antrag beim EPA in München, um Patentschutz in den am Einheitspatentsystem teilnehmenden Mitgliedstaaten anzumelden. Ein entsprechendes Abkommen haben bislang 17 der insgesamt 39 Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation (EPO) ratifiziert, darunter Deutschland, Österreich, die Beneluxländer, Frankreich und Italien (Stand: Mai 2023). Insgesamt wollen sich 25 EPO-Mitglieder am Einheitspatent beteiligen.
Bevor ein Einheitspatent eingetragen werden kann, muss der Anmelder auch weiterhin ein europäisches Patent erlangen. Im Anschluss kann der Patentinhaber dann einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen. Einen detaillierten Leitfaden dafür gibt es auf der Website des EPA zum Herunterladen. Der Antrag auf einheitliche Wirkung eines europäischen Patents ist laut EPO vollständig kostenlos. Die Jahresgebühren für die Aufrechterhaltung eines Einheitspatents belaufen sich für die ersten zehn Jahre – die durchschnittliche Lebensdauer eines europäischen Patents – auf weniger als 5.000 Euro. Gut zu wissen: Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es Ermäßigungen, unter anderem für kleine und mittlere Unternehmen. Auch dazu finden Sie weiter Informationen auf der Website des EPO.
Schub für die Vermarktung
Patente verschaffen Unternehmen nicht nur Rechtssicherheit bei juristischen Auseinandersetzungen. Auch in der Vermarktung innovativer Produkte und Services könnten sie Schubkraft entfalten. Denn durch die Patentanmeldung werden Innovationen öffentlich bekannt, was sich positiv auf die Reputation eines Unternehmens auswirken kann. Zudem können Patente durch Lizenzierungen zu Geld gemacht werden. Laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie erhöhen Schutzrechte das Potenzial erfolgreicher Unternehmenskooperationen. Mit Kreuzlizenzen können Unternehmen ihre Erfindungen gegenseitig nutzbar machen und so von der jeweiligen Innovationstätigkeit des anderen profitieren.
Außerdem stellt das Patentportfolio einer Firma einen wichtigen Eigentumswert dar und gibt Aufschluss über die innovative Kraft des Unternehmens. Das kann den Zugang zu Finanzmitteln erleichtern. Einer Untersuchung der Abteilung für Management, Strategie und Innovation der Katholischen Universität Leuven zufolge konnten in der Vergangenheit Unternehmen, unter anderem in den Niederlanden und in Schweden, sogar die Rechte zum Schutz geistigen Eigentums als Sicherheit bei Kreditinstituten hinterlegen und so ihren Zugang zu Finanzmitteln verbessern.
Noch kein „Weltpatent“
Ein „Weltpatent“ gibt es noch nicht. Wer sein geistiges Eigentum über den Geltungsbereich des Europäischen Einheitspatents hinaus schützen möchte, hat jedoch die Möglichkeit, beim Deutschen Patent- und Markenamt eine internationale Anmeldung nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag (Patent Cooperation Treaty, kurz: PCT) einzureichen. Diese wird vom DPMA an die Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) weitergeleitet, die das internationale Verfahren steuert. Im Laufe des Verfahrens spaltet sich die Anmeldung dann wieder in jeweils nationale Erteilungsverfahren für die Länder auf, in denen nationale Schutzrechte gesichert werden sollen, und es fallen die jeweiligen nationalen Gebühren an.
Stand: Mai 2023; alle Angaben ohne Gewähr
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