Manchmal sind es vermeintlich kleine Dinge, die Großes bewirken: Am 7. November 1958 meldete Artur Fischer aus der baden-württembergischen Gemeinde Tumlingen den Spreizdübel zum Patent an (Patentschrift-Nr. 1097117). Die von Fischer erfundenen Kunststoffdübel revolutionierten das Bauen und finden sich heute in fast jedem Gebäude. Der 2016 verstorbene Tüftler aus Tumlingen gilt als einer der produktivsten Erfinder aller Zeiten: Er meldete 2.252 Patente und Gebrauchsmuster beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München an. Befestigungssysteme sind bis heute der größte Unternehmensbereich der familiengeführten Unternehmensgruppe fischer. Das Unternehmen mit weltweit 4.700 Mitarbeitenden und einem Bruttoumsatz von 1,16 Milliarden Euro (2023) hält nach eigenen Angaben aktuell mehr als 1.500 Schutzrechte. Demnach werden aus der Belegschaft der Unternehmensgruppe in Deutschland 20-mal mehr Patente pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter angemeldet als im Durchschnitt der deutschen Wirtschaft.
Unternehmenspraxis
Geistiges Eigentum europaweit schützen
Innovationen schützen
Für Unternehmen können Innovationen ein bedeutender Erfolgsfaktor sein. Das beweist nicht nur die Unternehmensgruppe fischer. Was zählt, sind jedoch nicht allein Erfindergeist und die Fähigkeit, diesen in tragfähige Geschäftsideen zu verwandeln: Wichtig ist auch, seine Erfindungen vor Nachahmern zu schützen. Wie dreist geistiges Eigentum nachgeahmt wird, zeigt plakativ der alljährlich vergebene Negativpreis Plagiarius. Zwar können Schutzrechte Unternehmen nicht vor kriminellen Fälschern schützen, aber sie ermöglichen es, sich juristisch gegen absichtliche und unbeabsichtigte Nachahmungen abzusichern. Viele Unternehmen nutzen diese Möglichkeit: 2023 wurden beim DPMA 58.656 Patente angemeldet.
Wer sein geistiges Eigentum über die deutschen Grenzen hinaus in den 39 Mitgliedstaaten des Europäischen Patenübereinkommens (EPÜ) offiziell gesichert wissen will, kann dafür ein europäisches Patent beim ebenfalls in München beheimateten Europäischen Patentamt (EPA) anmelden. Dieses muss jedoch in jedem Land, in dem es wirken soll, einzeln validiert und aufrechterhalten werden – ein aufwendiger und teurer Prozess, der vor allem für kleine und mittlere Unternehmen häufig nicht infrage kommt. Deshalb wurde im Juni 2023 eine zusätzliche, vereinfachte Schutzmöglichkeit eingeführt: das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung, kurz Einheitspatent.
Das Europäische Einheitspatent
Im Rahmen des Einheitspatents genügt ein einziger Antrag beim EPA, um Patentschutz in den am Einheitspatentsystem teilnehmenden Mitgliedstaaten anzumelden. Ein entsprechendes Abkommen haben bislang 18 Mitgliedstaaten des EPÜ ratifiziert, darunter Deutschland, Österreich, die Beneluxländer, Frankreich und Italien (Stand: Januar 2025). Insgesamt wollen sich 25 Mitglieder am Einheitspatent beteiligen.
Bevor ein Einheitspatent eingetragen werden kann, muss die Anmelderin oder der Anmelder auch weiterhin ein europäisches Patent erlangen. Im Anschluss kann die Patentinhaberin oder der Patentinhaber dann einen Antrag auf einheitliche Wirkung stellen. Einen detaillierten Leitfaden dafür gibt es auf der Website des EPA zum Herunterladen. Der Antrag auf einheitliche Wirkung eines europäischen Patents ist laut EPO vollständig kostenlos. Die Jahresgebühren für die Aufrechterhaltung eines Einheitspatents belaufen sich für die ersten zehn Jahre – die durchschnittliche Lebensdauer eines europäischen Patents – auf weniger als 5.000 Euro. Gut zu wissen: Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es Ermäßigungen, unter anderem für kleine und mittlere Unternehmen. Auch dazu finden Sie weiter Informationen auf der Website des EPO.
Schub für die Vermarktung
Patente verschaffen Unternehmen nicht nur Rechtssicherheit bei juristischen Auseinandersetzungen. Auch in der Vermarktung innovativer Produkte und Services könnten sie Schubkraft entfalten. Denn durch die Patentanmeldung werden Innovationen öffentlich bekannt, was sich positiv auf die Reputation eines Unternehmens auswirken kann. Zudem können Patente durch Lizenzierungen zu Geld gemacht werden. Laut dem Bundesverband der Deutschen Industrie erhöhen Schutzrechte das Potenzial erfolgreicher Unternehmenskooperationen. Mit Kreuzlizenzen können Unternehmen ihre Erfindungen gegenseitig nutzbar machen und so von der jeweiligen Innovationstätigkeit des anderen profitieren.
Außerdem stellt das Patentportfolio einer Firma einen wichtigen Eigentumswert dar und gibt Aufschluss über die innovative Kraft des Unternehmens. Das kann den Zugang zu Finanzmitteln erleichtern. Einer Untersuchung der Abteilung für Management, Strategie und Innovation der Katholischen Universität Leuven zufolge konnten in der Vergangenheit Unternehmen, unter anderem in den Niederlanden und in Schweden, sogar die Rechte zum Schutz geistigen Eigentums als Sicherheit bei Kreditinstituten hinterlegen und so ihren Zugang zu Finanzmitteln verbessern.
Noch kein „Weltpatent“
Ein „Weltpatent“ gibt es noch nicht. Wer sein geistiges Eigentum über den Geltungsbereich des Europäischen Patents hinaus schützen möchte, hat jedoch die Möglichkeit, beim Deutschen Patent- und Markenamt eine internationale Anmeldung nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag (Patent Cooperation Treaty, kurz: PCT) einzureichen. Diese wird vom DPMA an die Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) weitergeleitet, die das internationale Verfahren steuert. Im Laufe des Verfahrens spaltet sich die Anmeldung dann wieder in jeweils nationale Erteilungsverfahren für die Länder auf, in denen nationale Schutzrechte gesichert werden sollen, und es fallen die jeweiligen nationalen Gebühren an.
Stand: Januar 2025; alle Angaben ohne Gewähr
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