Die Deutsche Bank AG, zu der auch die Postbank gehört, blickt in ihrem am 28. November 2023 vorgestellten Kapitalmarktausblick verhalten optimistisch auf das Jahr 2024. Die Experten der Deutschen Bank prognostizieren, dass die Wirtschaft der Eurozone 2024 um 0,2 Prozent und die der USA um 0,6 Prozent wachsen wird. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil haben die Volkswirte ihre Wachstumsprognose für Deutschland nach unten korrigiert. „Obwohl die finanzpolitischen Anpassungen seitens der Bundesregierung noch ausstehen, dürften die wirtschaftspolitische Verunsicherung und die Ausgabenkürzung das Wachstum 2024 um rund einen halben Prozentpunkt reduzieren. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte damit im kommenden Jahr erneut leicht um 0,2 Prozent sinken“, erwartet Stefan Schneider, Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research. Für das weltweite BIP rechnet die Deutsche Bank mit einem Anstieg von 2,6 Prozent im Jahr 2024, was in etwa der üblicherweise für die Weltwirtschaft unterstellten Rezessionsschwelle entspricht.
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Kapitalmarktausblick 2024
Inflation länger auf erhöhtem Niveau erwartet
Mitentscheidend für das Wirtschaftswachstum werde sein, wie sich die Teuerungsrate entwickelt. „Die Zentralbanken werden sich noch längere Zeit um die Inflation sorgen müssen“, warnt Schneider. Zwar sei die Teuerungsrate zuletzt deutlich zurückgegangen und dürfte tendenziell weiter fallen. Es gebe allerdings viele Gründe, warum sie in den nächsten Jahren nicht dauerhaft unter 2 Prozent sinken dürfte. Dazu zählen laut Deutsche Bank Research die langfristigen Folgen der expansiven Finanzpolitik, zu geringe Investitionen, der sich verschärfende Arbeitskräftemangel sowie die kostenintensive grüne Transformation der Wirtschaft.
Die Deutsche Bank sieht die Inflationsrate Ende 2024 bei jeweils 2,2 Prozent in der Eurozone und Deutschland sowie bei 1,8 Prozent in den USA. Dass die Teuerungsrate auf das niedrige Niveau der vergangenen Dekade zurückgeht, erwartet Schneider nicht. Die Zentralbanken hätten 2024 eine Gratwanderung zu meistern. Einerseits müssten sie durch restriktive Geldpolitik die Inflation bekämpfen, anderseits wollen sie die Wirtschaft nicht in eine Rezession abgleiten lassen.
Leitzinssenkungen im Jahresverlauf möglich
„Die zunehmenden Rezessionsrisiken in der Eurozone reduzieren Zweitrundeneffekte wie weiter deutlich steigende Tarifabschlüsse, was den Notenbanken die Möglichkeit eröffnet, bis zur Jahresmitte mit Zinssenkungen zu beginnen“, sagt Schneider. In den USA könnte der Leitzins demnach 2024 um 175 Basispunkte von aktuell 5,25 bis 5,50 Prozent auf dann 3,50 bis 3,75 Prozent sinken, in der Eurozone werden Zinssenkungen um 150 Basispunkte erwartet. Der Einlagensatz läge dann im Dezember 2024 bei 2,50 Prozent.
Angesichts der ähnlichen Ausrichtung der Geldpolitik und des moderaten Wachstums sowohl in den USA als auch in der Eurozone erwartet die Deutsche Bank einen weitgehend stabilen Euro-Dollar-Kurs von 1,10 zum Jahresende 2024.
Ölpreise könnten leicht ansteigen
Inflationstreibend ist laut den Deutsche Bank-Experten aufgrund der immensen Investitionen auch der Wandel hin zu einer grünen Wirtschaft mit einer geringeren Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Noch sei Öl aber einer der wichtigsten Rohstoffe mit einer Rekordnachfrage von 103 Millionen Barrel am Tag – und das trotz schwächelnder Konjunktur. Dazu beigetragen habe, dass ein Teil der durch den Russland-Ukraine-Krieg ausgefallenen russischen Gaslieferungen durch Öl ersetzt wurde. Auch die OPEC+ nehme Einfluss auf die Preisentwicklung. Die Mitglieder der Organisation wollten angesichts des jüngsten Abwärtsdrucks auf die Ölpreise ihre freiwilligen Produktionskürzungen in nächster Zeit weitgehend fortsetzen. Zudem übe Saudi-Arabien Druck auf andere Länder aus, ebenfalls Kürzungen vorzunehmen. Die Preise dürften deshalb leicht ansteigen und die Sorte Brent in zwölf Monaten 88 US-Dollar pro Barrel kosten.
Bei den Industriemetallen dürfte die Transformation zu einer grünen Wirtschaft die Preise treiben. Kupfer und Lithium könnten sich nach einem teils deutlichen Rückgang wieder verteuern. Industriemetalle werden unter anderem in Batterien verarbeitet, der Trend zur E-Mobilität erhöht die Nachfrage. Kupfer wird beispielsweise für Windräder benötigt. Der Kupferpreis könnte weiter anziehen, von derzeit rund 8.200 auf 9.050 US-Dollar pro Tonne bis Ende 2024. Auch weil es teuer ist, neue Minen zu erschließen oder sie zu erweitern – und es dagegen Proteste gibt.
Positive Erwartungen für Aktien und Anleihen
Für Aktien und Anleihen dürfte es der Analyse zufolge ein unter dem Strich gutes Jahr werden – vorausgesetzt, die geopolitischen Krisen eskalieren nicht und die Wirtschaft wächst, wenn auch schwach. „Der Gleichlauf der beiden Anlageklassen könnte noch eine Zeit lang weitergehen: Bis Ende 2024 erwarten wir hohe einstellige Renditen bei Aktien und Anleihen“, erklärt Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. Allerdings müssten sich Anlegerinnen und Anleger der Risiken bewusst sein, diese gezielt steuern und die Investitionen je nach Lage von Wirtschaft und Finanzmärkten anpassen. So werde die Inflation wahrscheinlich zwar zurückgehen, erweise sich aber als hartnäckig – und könne zwischenzeitlich sogar noch einmal ansteigen, zum Beispiel wegen höherer CO2-Bepreisungen. Kurzum: Das Wirtschaftswachstum bleibe schwach, die Zinsen hoch. Erst ab Mitte 2024 seien Zinssenkungen in Europa und den USA zu erwarten.
Stand: Dezember 2023; alle Angaben ohne Gewähr
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