Betriebsführung

Pluspunkt Diversität

Warum Unternehmen von mehr Diversität in ihren Belegschaften profitieren können.

„Du als Mensch bist uns wichtig“ – getreu diesem Motto setzt sich die Rational AG im bayerischen Landsberg am Lech seit 2015 für die Integration von Geflüchteten ein und begegnet damit gleichzeitig den Herausforderungen des Fachkräftemangels. Der Hersteller von Groß- und Industrieküchengeräten bildet nicht nur Geflüchtete zur Fachkraft für Metalltechnik aus und fördert sie durch Praktika, Einstiegsqualifizierungen und Inhouse-Zusatzunterricht; der Integrationsbeauftragte des Unternehmens unterstützt die Auszubildenden zudem in allen Fragen des Soziallebens, von der Wohnungssuche bis zu Amtsgängen, sowie manchmal auch mit finanziellen Mitteln. Für dieses Engagement wurde das Unternehmen 2022 mit dem Integrationspreis für den Regierungsbezirk Oberbayern in der Kategorie Wirtschaft ausgezeichnet.

So wie die Rational AG setzen immer mehr Unternehmen in Deutschland in ihren Belegschaften auf mehr Vielfalt, im Fachjargon Diversität oder englisch „Diversity“ genannt. Dabei geht es nicht allein um die ethnische Herkunft oder Nationalität der Mitarbeitenden. Der Verein Charta der Vielfalt (siehe Kasten unten) definiert den Begriff Diversity bezogen auf die Arbeitswelt vielmehr als „die Gemeinsamkeiten und die Unterschiedlichkeit der Belegschaft aufgrund individueller Persönlichkeitsmerkmale sowie Lebensstile oder -entwürfe“. Im Zentrum stehen dabei die Persönlichkeit eines Menschen und seine Eigenschaften, namentlich:

  • Alter
  • soziale Herkunft
  • ethnische Herkunft und Nationalität
  • Geschlecht und geschlechtliche Identität
  • körperliche und geistige Fähigkeiten
  • Religion und Weltanschauung
  • sexuelle Orientierung

Hinzu kommen sogenannte äußere Dimensionen, etwa Familienstand oder Berufserfahrung, und organisationsbezogene Faktoren wie die Funktion im Unternehmen oder eine Gewerkschaftszugehörigkeit.

Wird zumindest ein Teil der beiden Bereiche bei der Zusammensetzung der Belegschaft aktiv berücksichtigt, spricht man von Diversity-Management. Dahinter steht die Idee, die unterschiedlichen Charaktere und Lebensentwürfe der Menschen im Unternehmen in die Betriebsführung einzubeziehen, um allen Beschäftigten eine bessere Entfaltung ihrer Fähigkeiten zu ermöglichen. Dazu gehören auch die Vermeidung von Diskriminierung im Arbeitsumfeld und das Sichtbarmachen von unbewussten Vorurteilen.

Charta der Vielfalt

Der 2011 gegründete Verein Charta der Vielfalt setzt sich für die Verankerung von Vielfalt in Wirtschaft und Gesellschaft ein. Ein Ziel des Vereins ist es, den Wissens- und Erfahrungsaustausch unter den Unterzeichnenden der Charta zu fördern und sie so bei der Umsetzung eines Diversity-Managements zu unterstützen. Die Charta der Vielfalt ist eine Selbstverpflichtung, die allen Unternehmen und anderen Organisationen offensteht. Rund 4.900 von ihnen haben die Charta bereits unterzeichnet. Die Postbank gehört seit der Gründung des Vereins zu dessen Mitgliedern. Einmal im Jahr veranstaltet der Verein den Deutschen Diversity-Tag, an dem die Vereinsmitglieder und Unterzeichnenden der Charta mit kreativen Aktionen Flagge für das Thema Vielfalt zeigen. Der 11. Diversity-Tag findet am 23. Mai 2023 statt.
www.charta-der-vielfalt.de

Gute Gründe für mehr Diversität in der Belegschaft

Laut der Diversity-Studie 2020 des Vereins Charta der Vielfalt sehen 67 Prozent der deutschlandweit befragten 510 Führungskräfte sowie Personalmanagerinnen und Personalmanager in der Diversität ihrer Belegschaften konkrete Vorteile für ihr Unternehmen. 63 Prozent gehen davon aus, dass die Bedeutung von Diversity in der strategischen Führung von Unternehmen weiter zunehmen wird.

Dass es beim Thema Diversity in Deutschland noch Luft nach oben gibt, zeigt unter anderem der Anteil von Frauen in Führungspositionen: Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge war 2021 hierzulande nur knapp jede dritte Führungskraft eine Frau. Im Ranking der 27 EU-Mitgliedstaaten reicht das nur für Platz 20. Dass es auch anders geht, zeigt Lettland, wo 46 Prozent aller Führungspositionen von Frauen besetzt werden. Auch Polen, Schweden und Estland können mit Chefinnenquoten jenseits der 40-Prozent-Marke auftrumpfen.

Ein ganz pragmatischer Grund, die Diversität in der Belegschaft zu fördern, ist für Unternehmen jeder Größe, dass man damit im Wettbewerb um Arbeitskräfte punkten kann. In Zeiten des Fachkräftemangels sei die Ausbildung Geflüchteter eine Win-win-Situation, betonen etwa Ausbildungsleiter Daniel Goller und Harald Greiner, Leiter Produktions- und Lieferprozesse bei der Rational AG. Seit 2015 konnten dort 15 Azubis aus dem Engagement für Geflüchtete in eine Festanstellung übernommen werden.

Doch es gibt noch weitere gute Gründe für ein aktives Diversity-Management. Studien zufolge sind diversifizierte Teams häufig erfolgreicher, weil sie ganz unterschiedliche Sichtweisen in die Arbeit einbringen können, zum Beispiel bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. „Durch ein aktives Diversity-Management, das sich der Vor- und Nachteile einer heterogen zusammengesetzten Belegschaft bewusst ist, kann Personalpolitik die Weichen für mehr wirtschaftlichen Erfolg stellen“, betont unter anderem das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln).

Diversity-Management – wichtig auch für KMU

Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zähle Diversity-Management sogar zu den wichtigsten Werkzeugen der Betriebsführung, betont der Verein Charta der Vielfalt. Dabei gilt gerade in KMU: Das Diversity-Management sollte anwendungsorientiert und pragmatisch sein und sich leicht in den Betriebsalltag integrieren lassen. Führungskräfte sollten sich klar zur (angestrebten) Diversität positionieren und der aktuellen Belegschaft den Nutzen der Vielfalt erläutern. Ein erster Schritt kann die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt sein. Im zweiten Schritt können Ziele zur Förderung der Diversität im Unternehmen definiert werden. Diese könnten sein:

  • ein ausgewogeneres Verhältnis weiblicher und männlicher Beschäftigter
  • die Verbesserung der Familienfreundlichkeit durch flexible Arbeitszeiten
  • die Möglichkeit zur familienfreundlichen Arbeit im Homeoffice
  • Sprachkurse für Mitarbeitende mit Defiziten bei der deutschen Sprache
  • Stellenausschreibungen gezielt für Menschen mit Behinderungen
  • Aufkleber in den Regenbogenfarben, zum Beispiel an den Firmenfahrzeugen, um Offenheit gegenüber der LGBTQ+-Community zu signalisieren (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intersexuell, queer und weitere)

Der Kreativität sind hier kaum Grenzen gesetzt. Wichtig: Die Mitarbeitenden sollten von Anfang an in die Diversity-Überlegungen einbezogen und auch Kritiker ernst genommen werden.

Wo Unternehmen ganz konkrete Tipps und Unterstützung auf ihrem Weg zu mehr Diversität erhalten, lesen Sie in unserer Linkliste.

Stand: Februar 2023
Bildnachweis: iStockphoto / Cecilie_Arcurs, Delmaine Donson