Viele Geschiedene oder Alleinerziehende gehen nach einer Trennung wieder Partnerschaften ein – und es entsteht eine neue Familie. Gesellschaftlich ist diese sogenannte Patchworkfamilie längst zum Alltag geworden. Doch rechtlich und finanziell steht die neue Lebensgemeinschaft vor vielen Herausforderungen. Wie steht es etwa um den Unterhalt? Welche Rechte und Pflichten haben die Stiefeltern? Und wie sieht es mit Kindergeld und Co. aus? Erfahren Sie hier, wie eine Patchworkfamilie die Finanzen sicher in den Griff bekommt.
Patchworkfamilie – Ratgeber zu Geld und Recht
Erziehung und Unterhalt bei gemeinsamem Sorgerecht der leiblichen Eltern
Im Alltag einer Patchworkfamilie ist die Blutsverwandtschaft in der Regel Nebensache. Die Erwachsenen machen keinen Unterschied zwischen ihren leiblichen Kindern und denen ihres neuen Partners. Doch auch, wenn die Familie im Alltag zunehmend zusammenwächst – die Rechte und Pflichten der neuen Lebensgefährten sind davon getrennt zu betrachten und per Gesetz klar definiert. Teilen sich die leiblichen Eltern das Sorgerecht nach einer Trennung oder Scheidung (§ 1687 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB), haben neue Partner ohne eine entsprechende Verfügung kein Mitspracherecht in der Erziehung und anderen Belangen rund ums betreuende Kind. Ausgehzeiten, Schlafenszeiten und Kontrollbesuche beim Kinderarzt sind ausschließlich Sache der leiblichen Eltern. Dabei ist es unerheblich, ob geheiratet wird oder beide ohne Trauschein zusammenleben. Der einzige Unterschied: Mit einer Hochzeit wird der Status Stiefvater oder Stiefmutter offiziell anerkannt. Zusammengefasst sieht die rechtliche Situation bei gemeinsamem Sorgerecht folgendermaßen aus:
- Über die alltäglichen Entscheidungen wie etwa Angelegenheiten rund um Ernährung, Erziehung und Hygiene entscheidet das Elternteil, bei dem das Kind lebt.
- Bei gewichtigeren Fragen wie der Schulwahl, Umzug oder medizinischen Behandlungen muss das andere sorgeberechtigte Elternteil zustimmen.
- Auch jegliche finanzielle Unterhaltsverpflichtung für Kinder ist Sache der leiblichen Eltern.
Tipp
Stiefvater oder Stiefmutter muss also laut Gesetz weder finanziell noch pädagogisch für nicht-blutsverwandte Kinder aufkommen. Nur wenn beide Eltern eine Stiefelternvollmacht erteilen, die Mitsprache- oder Entscheidungsrechte gewährt, dürfen sich neue Lebenspartner an der Erziehung beteiligen.
Ausnahme: „Bedarfsgemeinschaft“
Zwar müssen neue Partner finanziell prinzipiell nicht für ihre Stiefkinder aufkommen – auch dann nicht, wenn sie in einem gemeinsamen Haushalt leben. Das ändert sich jedoch, wenn der leibliche Elternteil arbeitslos wird und Arbeitslosengeld II (ALG II; umgangssprachlich: Hartz IV) beantragen muss. In diesem Fall wird die Patchworkfamilie zu einer sogenannten „Bedarfsgemeinschaft“. Zumindest teilweise muss der Geld verdienende Partner dann für seinen Lebensgefährten und dessen Kinder aufkommen.
Stiefelternrechte bei alleinigem Sorgerecht eines Elternteils in Patchworkfamilien
Hat ein Elternteil das alleinige Sorgerecht für ein Kind, darf der neue Lebenspartner in seinem Sinne mitentscheiden, wenn er damit einverstanden ist. Mit der Heirat erhalten Stiefeltern sogar automatisch ein Mitspracherecht, wenn der Partner allein sorgeberechtigt ist. Durch den Trauschein dürfen Stiefeltern gemäß § 1687b des Bürgerlichen Gesetzbuches in Alltagsfragen mitentscheiden, wenn sie weiterhin zusammenleben und gemeinsam die Kinder betreuen. Im Notfall sind selbst schnelle Entscheidungen zum Wohle des Kindes durch den neuen Partner möglich, allerdings ist der sorgeberechtigte Elternteil unverzüglich zu benachrichtigen. Im Volksmund heißt diese Regelung „kleines Sorgerecht“.
Tipp
Als Stiefelternteil sollten Sie das Thema Erziehung früh thematisieren und mit den leiblichen Eltern klare Vereinbarungen treffen.
Das Sorgerecht im Todesfall
Stirbt der leibliche Elternteil, hat die Stiefmutter oder der Stiefvater trotz Heirat keine Rechte und Pflichten. Stiefeltern sind keine Verwandten des Kindes. Das Jugendamt wird stattdessen Blutsverwandte des Nachwuchses wie den Ex-Partner oder die Großeltern mit der Betreuung beauftragen. Nur in seltenen Fällen entscheidet das Familiengericht zugunsten der Stiefeltern. Um als Patchworkfamilie Probleme zu vermeiden, ist es deshalb empfehlenswert, eine Sorgerechtsverfügung aufzusetzen.
Patchworkfamilie gut absichern – mit der richtigen Krankenversicherung
Seit dem 11.05.2019 können Stiefkinder durch eine Änderung im Terminservice und Versorgungsgesetz unter bestimmten Umständen leichter in der gesetzlichen Krankenversicherung des Stiefelternteils mitversichert werden. Bis dahin war die Familienversicherung nur möglich, wenn das Stiefelternteil den überwiegenden Unterhalt des Kindes getragen hat. Seit der Gesetzesänderung genügt es für die Krankenversicherung, das Stiefkind in den eigenen Haushalt aufzunehmen. Wohnt das Stiefkind nicht in Ihrem Haushalt (z. B. während des Studiums), ist die Familienversicherung weiterhin möglich, sofern Sie als Stiefvater oder -mutter für den größten Teil des Unterhalts aufkommen. Ihre Krankenkasse informiert Sie bei Bedarf über die genauen Voraussetzungen.
Kindergeld, Steuern und sonstige Leistungen
Eine neue Familie, in die bereits vorhandene Kinder aufgenommen werden, beeinflusst Steuern und andere Leistungen deutlich. Die folgende Übersicht schafft Klarheit:
- Kindergeld: Diese staatliche Leistung erhält nur ein Elternteil – meist der, in dessen Haushalt das Kind lebt. Stiefeltern können in bestimmten Fällen das Kindergeld für den nicht leiblichen Nachwuchs, der im Patchwork-Haushalt lebt, erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass sie mit dem leiblichen Elternteil verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben. Der Anspruch steht allerdings nur einem der beiden Partner zu.
- Steuerfreibeträge: Freibeträge bei der Steuer können leibliche Eltern unter bestimmten Voraussetzungen auf Stiefeltern übertragen. Stiefväter oder Stiefmütter müssen dazu mit dem leiblichen Elternteil verheiratet sein oder in eingetragener Lebenspartnerschaft leben.
- Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe: Unabhängig davon, ob der leibliche Elternteil mit Stiefvater oder Stiefmutter verheiratet ist, gelten die Patchwork-Partner im Sozialrecht gemeinsam mit den Stiefkindern als Bedarfsgemeinschaft. Sollen Leistungen für das nicht leibliche Kind beantragt werden, fließt das Einkommen des Stiefelternteils mit in die Berechnung des Anspruchs ein.
Indirekt sind Sie bei Erhalt von Sozialleistungen also tatsächlich für den Unterhalt eines Stiefkindes verantwortlich, obwohl Stiefvater oder Stiefmutter diese Rechte und Pflichten eigentlich nicht haben.
Patchworkfamilie: Ans Erbe besser frühzeitig denken
Das Ende des Lebens ist in vielen Familien ein Tabuthema, das oft verdrängt wird. In Patchworkfamilien sollten Sie sich aber unbedingt frühzeitig mit dem Erbrecht befassen, denn der Gesetzgeber billigt Stiefkindern zwar die gleichen Freibeträge und Erbschaftssteuersätze zu wie leiblichen Kindern. Automatisch erbberechtigt ist nicht blutsverwandter Nachwuchs aber nicht. Haben Sie bereits Nachwuchs und heiraten einen Partner, der ebenfalls Kinder hat, tritt ohne Testament die gesetzliche Erbfolge ein. Im Todesfall erben der Ehepartner und Ihr leibliches Kind. Stirbt später der neue Partner, geht sein Erbe zusammen mit Ihrem Erbteil an seine leiblichen Kinder. Ihr Kind geht leer aus. Um als Patchworkfamilie Probleme zu vermeiden, sollten Sie gemeinsam mit dem neuen Partner den Nachlass frühzeitig regeln.
Grundsätzlich bieten sich folgende Varianten an:
- Der neue Ehegatte wird Vorerbe, die leiblichen Kinder werden zu Nacherben bestimmt.
- Die leiblichen Kinder erben, der neue Ehepartner erhält ein Vermächtnis.
- Die leiblichen Kinder erben, der Partner und die Stiefkinder erhalten Vermächtnisse.
- Ehepartner und leibliche Kinder verzichten auf ihren Pflichtteil und das Vermögen wird per Erbvertrag verteilt.
Tipp
Lassen Sie sich zum Thema Erben in Patchworkfamilien von einem Anwalt beraten. Dessen Rat ist schlussendlich günstiger als ein nicht wirksames oder nicht dem eigentlichen Willen des Erblassers entsprechendes Testament.
Für Patchworkfamilien ein Muster für ein vorgefertigtes Testament zu finden, ist aufgrund der großen Vielfalt an Familienzusammensetzungen nicht möglich. Es würde nie der individuellen Situation der Familie und dem Willen des Erblassers gerecht. Eine Vermögensaufstellung ist immer eine gute Idee und schafft Klarheit über den zu verteilenden Nachlass.