Streit vermeiden, Rechte sichern
In Deutschland gibt es für alles Regeln und detaillierte Gesetze. Das gilt auch für das Erbrecht: Wenn Sie einen Nachlass mit einer weiteren oder mehreren Personen antreten, dann werden Sie ganz automatisch Teil einer Erbengemeinschaft. Die Erbmasse wird dann nicht etwa zu gleichen Stücken unter den Erben aufgeteilt – vielmehr sind alle Erben gemeinschaftlich am gesamten Nachlass beteiligt. Der Fachbegriff dafür lautet „zur gesamten Hand“ – ein Ausdruck, der im BGB aus der germanischen Rechtsprechung übernommen wurde. Was bedeutet das genau? Ganz einfach: Werden unter drei Personen 300.000 Euro vererbt, erhält nicht etwa jeder Teil der Erbengemeinschaft automatisch 100.000 Euro. Vielmehr gehört die gesamte Summe allen drei Erben. Diese Tatsache wirft weitere Fragen auf: Wer darf über das Erbe bestimmen? Wie kann ein Miterbe ausgezahlt werden? Und wie sieht es mit geerbten Verbindlichkeiten aus? Um diese Fragen gemeinschaftlich anzugehen und inhaltliche Differenzen zu vermeiden, sollten Erbengemeinschaften einige Regeln beachten.
Regel 1: Alleingänge sind in einer Erbengemeinschaft tabu
Da alle Erben gemeinsam für das vererbte Vermögen (oder die vererbten Verbindlichkeiten) verantwortlich sind, sollten Alleingänge einzelner Personen unbedingt vermieden werden. Als sogenannte „Gesamthandgemeinschaft“ haben sich die Erben über das weitere Vorgehen abzusprechen. Das vermeidet im Vorfeld Streitigkeiten. Eine einzige Ausnahme besteht in der Beantragung des Erbscheins. Dieser kann entweder von allen Erben gemeinsam oder von einzelnen Teilen der Erbengemeinschaft beantragt werden – für alle Mitglieder zusammen oder individuell für sich selbst.
Regel 2: Miterben schnellstmöglich informieren
Schon bei der Testamentseröffnung ist die lückenlose Information aller Miterben unbedingt einzuhalten. Wenn also ein Miterbe als Nachlassverwalter bestimmt wurde – beispielsweise durch den letzten Willen des Verstorbenen – muss er/sie alle anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft über diesen Sachverhalt unterrichten.
Regel 3: Ausgleichszahlungen bei Schenkungen leisten
Sie haben vom Verstorbenen zu dessen Lebzeiten eine Schenkung erhalten? Dann sollten Sie beachten, dass jedes Mitglied einer Erbengemeinschaft Rechte und Pflichten hat. Es gebietet sich deshalb, die Miterben über die Schenkung zu unterrichten und ggf. eine Ausgleichszahlung zu leisten.
Regel 4: Pflegezeit berücksichtigen
Einen nahen Verwandten zu pflegen, kann eine finanzielle und mentale Bürde sein. Wenn Sie den Verstorbenen zu Lebzeiten gepflegt haben, sollten die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft diesen Umstand entsprechend honorieren. Einen materiellen Ausgleich für die erbrachten Pflegeleistungen können vor dem Gesetz allerdings nur dessen Kinder verlangen.
Regel 5: Gemeinsame Haftung für Schulden
Zu den Rechten und Pflichten einer Erbengemeinsachft gehört es auch, für Verbindlichkeiten aus dem Nachlass gemeinsam zu haften. Dies ist allerdings nur im Rahmen des geerbten Vermögens notwendig – das Privatvermögen aller Miterben bleibt in jedem Fall unangetastet. Wenn ein Miterbe entscheidet, dass er die Verbindlichkeiten tilgen möchte, kann er vom restlichen Teil der Erbengemeinschaft dafür Ausgleichszahlungen verlangen.
Regel 6: Erbschaftssteuer wird individuell berechnet
Auch wenn einer Erbengemeinschaft der Nachlass zu gleichen Teilen vererbt wird, so gibt es bei der Berechnung der Erbschaftssteuer trotzdem Unterschiede. In die spezifische Kalkulation fließen nämlich noch Aspekte wie die derzeit gültige Steuerklasse, Freibeträge, Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen etc. ein. Der Erbschaftsteuersatz einzelner Mitglieder einer Erbengemeinschaft kann also höchst unterschiedlich ausfallen, obwohl die gleichen Werte vererbt wurden.
Regel 7: Immobilienbesitz und Mieteinnahmen teilen
Nicht selten wird einer Erbengemeinschaft ein Haus oder eine andere Immobilie vermacht. Da auch in diesem Fall das Prinzip der „Gesamthandgemeinschaft“ gilt, müssen alle Personen der Erbengemeinschaft im Grundbuch vermerkt werden. Eventuelle Mieteinnahmen sind derweil gerecht unter den Erben aufzuteilen. Ein Verkauf der Liegenschaft ist überigens nur dann möglich, wenn alle Miterben damit einverstanden sind. Für Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Erbmasse – beispielsweise dem Abschluss von Mietverträgen – genügt allerdings auch eine einfache Mehrheit.
Regel 8: Mehrheitsbeschluss anwenden
Sollen einzelne Komponenten aus dem Nachlass untereinander aufgeteilt werden, dann ist dazu immer ein Mehrheitsbeschluss notwendig. Möchten Sie beispielsweise das Aktiendepot des Verstorbenen auflösen, ist dafür eine Abstimmung unter den Miterben notwendig. Nur bei einem positiven Entscheid dürfen die Wertpapiere veräußert werden, um dann die Erlöse untereinander aufzuteilen. Bei der Verteilung muss allerdings die Erbquote berücksichtigt werden.
Regel 9: Gemeinsam Teilungsplan verfassen
Das gemeinsame Bestreben einer Erbengemeinschaft sollte es immer sein, das Erbe möglichst gerecht untereinander aufzuteilen. Sollte ein Miterbe also eine „Auseinandersetzung“ verlangen – wie es im Fachjargon heißt – müssen sich alle Erben gemeinsam einen gerechten Teilungsplan überlegen.
Regel 10: Übertragung von Anteilen notariell beglaubigen lassen
Selbstverständlich können sich Mitglieder einer Erbengemeinschaft auch gegenseitig Anteile übertragen – auch wenn die Gemeinschaft über Gegenstände eigentlich nur gemeinsam verfügen darf. Die Übertragung muss allerdings notariell beglaubigt werden – insbesondere dann, wenn es sich um hochwertige Güter handelt.
Regel 11: Abfindung bei freiwilligem Ausstieg
Wenn ein Erbe freiwillig aus der Erbengemeinschaft ausscheiden möchte, dann erhält er/sie dafür im Regelfall eine Abfindung vom Rest der Erbengemeinschaft. Der Fachbegriff für einen freiwilligen Austritt aus einer Erbengemeinschaft lautet übrigens „Abschichtung“.
Regel 12: Bei Uneinigkeit Klage vor dem Nachlassgericht möglich
Sollte es in der Erbengemeinschaft doch einmal unüberbrückbare Differenzen geben, dann macht eine Klage vor dem Nachlassgericht Sinn. Das Amtsgericht fällt in solchen Angelegenheiten Urteile, wenn der Streitwert unter 5.000 Euro liegt. Für Erbschaften mit höheren Beträgen ist das Landgericht zuständig.
Regel 13: Erbengemeinschaft kann aufgelöst werden
Unter bestimmten Umständen kann eine Erbengemeinschaft aufgelöst werden. Das ist u. a. der Fall, wenn
- das Erbe vollständig aufgeteilt wurde,
- eine Person alle anderen Beteiligten ausgezahlt hat,
- nur noch ein Miterbe am Leben ist oder
- die Erbengemeinschaft einstimmig beschließt, den Nachlass zu veräußern und untereinander aufzuteilen.
Regel 14: Zwangsversteigerung als letztes Mittel einsetzen
Kann sich eine Erbengemeinschaft partout nicht auf den Verkauf oder die gerechte Aufteilung einer Immobilie oder eines hochpreisigen Gegenstandes einigen, kann eine Zwangsversteigerung den Konsens erzwingen. Die erzielten Erlöse werden dann nach der gültigen Erbquote unter den Mitgliedern der Erbengemeinschaft aufgeteilt. ACHTUNG: Da die Gewinne bei einer Zwangsversteigerung oft verhältnismäßig niedrig ausfallen, sollten zuvor alle Möglichkeiten ausgelotet werden, um diese doch noch abzuwenden. Größere Streitigkeiten vernichten in einer Erbengemeinschaft oftmals stattliche Geldwerte.
Regel 15: Bei aufgeteiltem Erbe haften Beteiligte mit ihrem Privatvermögen
Sobald das Erbe komplett aufgeteilt wurde, haftet jedes ehemalige Mitglied der Erbengemeinschaft für Steuer, Instandhaltung, Gebühren etc. auch mit seinem Privatvermögen. Im Falle eines Immobilienerbes sind Mitglieder dann z. B. für Grundsteuer, Handwerkerkosten und Abwassergebühren zahlungspflichtig. Die Erbengemeinschaft ist ab diesem Moment Geschichte!