Wer sich für den Wohnungskauf im Umland entscheidet, kann gegenüber der Metropole sparen. In Stuttgart kostet der Quadratmeter im Schnitt gut 4.800 Euro, jenseits der Stadtgrenzen deutlich weniger. Im teuersten Umlandkreis Ludwigsburg liegt die durchschnittliche Ersparnis gegenüber der Metropole bei rund 900 Euro pro Quadratmeter, im günstigsten Landkreis Göppingen bei 2.000 Euro. Wer in Stuttgart arbeitet, darf allerdings nicht vergessen, dass beim Umzug in den Speckgürtel Pendelkosten anfallen oder möglicherweise ein Arbeitszimmer für Homeoffice-Tage benötigt wird. Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat für die Postbank eine Modellrechnung entwickelt, mit der sich diese Pendelkosten beziffern lassen. Der Postbank Wohnatlas 2021 zeigt, wie viele Jahre sich der Immobilienerwerb im Umland rechnet und wann der Kostenvorteil durch das Pendeln aufgezehrt ist. Dabei wurden im diesjährigen Pendelkostenrechner erstmals die Faktoren Homeoffice und eigenes Arbeitszimmer einberechnet.
Verglichen wurde jeweils der Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung in Stuttgart mit dem Erwerb in den angrenzenden Landkreisen zum regionalen Durchschnittspreis. In die Pendelkosten-Analyse wurden jeweils die vier bevölkerungsreichsten Städte der Landkreise sowie auch alle weiteren Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern einbezogen. Der Kaufpreisvorteil wurde mit den jährlichen Pendelkosten verrechnet. Dazu zählen neben den Kosten für das Ticket im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder für das Auto samt Benzin auch der höhere Zeitaufwand.
Beste Pendel-Standorte sind Esslingen, Waiblingen und Fellbach
Am längsten vom günstigeren Wohnungskauf im Umland profitieren Pendler*innen aus Esslingen am Neckar, aus Waiblingen und aus Fellbach. Das verdanken sie vor allem der schnellen Verbindung mit der Bahn, die nur zwischen zehn und zwölf Minuten für die Pendel-Strecke benötigt. Der Kaufpreisvorteil gegenüber Stuttgart ist bei täglicher Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit erst nach knapp unter 30 Jahren aufgebraucht. Pendler*innen aus Ludwigsburg und Kornwestheim sind mit dem ÖPNV ähnlich schnell am Ziel, die Ersparnis des günstigeren Immobilienerwerbs hält mit knapp 23 (Ludwigsburg) und knapp 21 Jahren (Kornwestheim) nicht ganz so lange. Das liegt daran, dass beide Städte im vergleichsweise teuren Landkreis Ludwigburg liegen. Etwas länger dauert die Pendelei aus Ebersbach an der Fils. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind die 32 Kilometer in 26 Minuten zu bewältigen. Der Kaufpreisvorteil bleibt rund 20 Jahre bestehen.
Bei täglicher Fahrt mit dem Auto schmelzen Kaufpreisvorteile noch deutlich schneller dahin. Das gilt für fast alle Städte im Stuttgarter Umland. In Esslingen und Waiblingen sind sie laut Modellrechnung nach gut 12 Jahren aufgezehrt. Am besten kommen Autopendler*innen aus Fellbach weg: Sie profitieren immerhin 18 Jahre lang vom günstigeren Immobilienkauf.
Platz für Homeoffice im Eigenheim
Allerdings ist in der Corona-Pandemie ein anderer Lebensentwurf stärker in den Fokus gerückt. Homeoffice-Regelungen haben vielen Beschäftigten mehr Unabhängigkeit vom Arbeitsort beschert. Im Lockdown verloren die Innenstädte ihren Glanz, quirlige Szeneviertel erstarben – der Wunsch, der Stadt zu entfliehen und im Grünen zu wohnen, wuchs. Weniger Präsenzzwang im Büro durch mehr Homeoffice macht es Arbeitnehmer*innen zudem oftmals leichter, auch größere Entfernungen zur Arbeitsstätte in Kauf zu nehmen. Das alles sorgt dafür, dass Kaufinteressierte das Umland bei ihrer Wohnungssuche verstärkt in den Blick nehmen – und dann unter geänderten Vorzeichen rechnen dürfen. Mehr Homeoffice verringert Pendelzeiten und -kosten. Zugleich lassen sich Bürotage daheim besser und angenehmer im eigenen Arbeitszimmer als am Küchentisch bestreiten. Die Wohnung im Grünen sollte also möglichst etwas größer ausfallen als die Stadtwohnung. Andererseits zeigt sich in den Umlandkreisen häufig ein recht großes Preisgefälle: So müssen Käufer*innen für eine verkehrsgünstig gelegene Wohnung, etwa in der Nähe der S-Bahnstation, mit einem Aufschlag auf den kreisweiten Durchschnittspreis rechnen. Vor diesem Hintergrund haben die Expert*innen des HWWI in diesem Jahr erstmals auch berechnet, wie lange Käufer*innen vom günstigeren Umlandpreis profitieren, wenn sie mit zwei Homeoffice-Tagen pro Woche planen können, die neue Wohnung mit Arbeitszimmer 20 Quadratmeter größer ist und der Preis außerdem 20 Prozent über dem kreisweiten Durchschnitt liegt.
Verkehrsgünstig wohnen mit eigenem Arbeitszimmer?
Im Stuttgarter Umland besteht unter diesen Vorzeichen in vielen Fällen überhaupt kein Kaufpreisvorteil mehr, im Gegenteil: Wer raus zieht in eine größere Wohnung mit Arbeitszimmer und für eine verkehrsgünstige Lage einen Preisaufschlag in Kauf nimmt, muss sogar tiefer in die Tasche greifen als beim Kauf einer durchschnittlichen Stadtwohnung. In nur noch vier untersuchten Städten – alle im preisgünstigsten Umlandkreis Göppingen gelegen – erwächst zumindest eine kleine Ersparnis, die Pendler*innen aber in wenigen Jahren verfahren.
Die Pendelanalyse zeigt, dass sich ein Umzug für Stuttgart-Pendler*innen langfristig zumeist nur lohnt, wenn sie ihre Ansprüche zurückschrauben. Weniger Pendel-Tage reduzieren die Kosten, ein zusätzlicher Raum für das Homeoffice ist angesichts recht hoher Quadratmeterpreise auch jenseits der Stadtgrenze aber meist nicht drin. Wer länger profitieren möchte, müsste beim Erwerb rund um Stuttgart selbst bei reduzierten Pendel-Tagen durch Homeoffice ein kleineres Arbeitszimmer in Kauf nehmen oder ein Objekt finden, das ohne Preisaufschlag auf den kreisweiten Durchschnitt auskommt.