Reales durchschnittliches Preiswachstum pro Jahr in Prozent
Prognose: Wo Wohnimmobilien noch an Wert gewinnen
In fast der Hälfte aller 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte können Haus- und Wohnungsbesitzer*innen davon ausgehen, dass ihre Immobilie bis mindestens 2035 real an Wert gewinnt. In der knappen Mehrheit der Regionen hat der Preisboom jedoch ein Ende. Auch nach der Corona-Krise wird es am deutschen Immobilienmarkt Regionen geben, in denen die Kaufpreise weiter ansteigen. Weitere Zuwächse erwarten Expert*innen vor allem für den süddeutschen sowie den Hamburger und Berliner Raum und das Weser-Ems-Gebiet. Im westlichen Mitteldeutschland werden die Kaufpreise überwiegend stagnieren. Für weite Teile Ostdeutschlands – mit Ausnahme von Berlin, Potsdam, Leipzig, Jena, Erfurt und Weimar – ist hingegen von sinkenden Kaufpreisen für Immobilien auszugehen. Dies sind Ergebnisse der Studie „Postbank Wohnatlas 2022“, für die Expert*innen des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) eine Kaufpreisprognose bis 2035 erstellt haben.
Der Aufwärtstrend am deutschen Immobilienmarkt bleibt langfristig bestehen, gilt aber nur noch für bestimmte Landkreise und kreisfreie Städte. In wachsenden Regionen mit hohen Anteilen jüngerer, gutverdienender Erwerbstätiger an der Bevölkerung dürfen Käufer*innen und Eigentümer*innen von Wohnungen bis 2035 mit weiteren Wertzuwächsen rechnen. Fast durchgehend gute Rahmenbedingungen für Wohnimmobilien finden Eigentümer*innen und Kaufinteressierte vor allem im Süden und Nordwesten der Republik. Wer sich zum Kauf entschließt oder bereits eine Immobilie besitzt, darf hier bis 2035 mit Wertzuwächsen rechnen. Auch die Immobilienmärkte vieler Großstädte nebst Umland profitieren von guten demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Unter den sogenannten „Big Seven“, also den sieben größten deutschen Metropolen, wird der mit Abstand stärkste Preisanstieg erneut für die bereits heute teuerste Großstadt Deutschlands, München, erwartet. Obwohl der Quadratmeterpreis 2021 bereits bei 9.732 Euro lag, prognostiziert die Studie einen weiteren realen Preisanstieg um durchschnittlich mehr als zwei Prozent pro Jahr. Auch in Frankfurt am Main, Köln und Stuttgart ist ein deutliches jährliches Preisplus von mehr als einem Prozent drin. In Hamburg, mit dem derzeit dritthöchsten Kaufpreis unter den Big Seven, steigen die Preise zwar bis 2035 weiter, allerdings nicht mehr so dynamisch wie bisher. Für die Hansestadt wird mit einem realen jährlichen Plus von knapp über 0,5 Prozent pro Jahr das schwächste Preiswachstum aller Big Seven erwartet.
HWWI-Wohnungsmarktmodell ermöglicht Kaufpreisprognose
Im Rahmen der Kaufpreisprognose für die 401 kreisfreien Städte und Landkreise werden Angebots- und Nachfrageentwicklungen auf Basis verschiedener Regionaldaten zur Bevölkerungs- und Altersstruktur, Haushaltsgröße, Einkommensentwicklung sowie zu Wohnausgaben und Wohnungsangebot modelliert. Das HWWI-Wohnungsmarktmodell vollzieht nach, wie sich diese Faktoren wechselseitig beeinflussen. Am Ende der Modellrechnung steht die Kaufpreisprognose für den Zeitraum 2021-2035. Ausgewiesen wird der durchschnittliche jährliche reale Preistrend.
„Die Corona-Krise hat sich nicht negativ auf die Preisentwicklung am Wohnungsmarkt ausgewirkt. Im Gegenteil: Mehr Menschen haben in dieser Ausnahmesituation über ein Eigenheim nachgedacht und Immobilien als sicheren Hafen gesucht“, sagt Eva Grunwald, Leiterin Immobiliengeschäft Postbank und Deutsche Bank. „Langfristig werden die Wertentwicklungen auf dem Immobilienmarkt vor allem durch die demografischen sowie die wirtschaftlichen Entwicklungen der jeweiligen Regionen bestimmt. Die Anziehungskraft der Metropolen und ihres Umlands wird bleiben.“
Preise im Umland der Metropolen ziehen deutlich an
Die Metropolen und ihr Umland bleiben für Anleger*innen und Selbstnutzer*innen attraktiv. Das liegt an erwarteten Bevölkerungszuwächsen von mehr als fünf Prozent in Großstädten, dem Umland der Big 7 sowie in vielen bayrischen Regionen. Neben der demografischen Entwicklung wird hier auch die erwartete Einkommensentwicklung die Kaufpreise treiben. In zentralen Lagen übersteigt die Nachfrage vielerorts das Angebot, was die Preise weiter in die Höhe schnellen lässt. Für Potsdam wird mit realen Preiszuwächsen von mehr als zwei Prozent pro Jahr das voraussichtlich stärkste prozentuale Preiswachstum aller deutschen Regionen erwartet. Die künftige Preisdynamik bis 2035 in der brandenburgischen Landeshauptstadt ist damit etwa auf dem gleichen Niveau wie in Deutschlands teuerster Stadt München. Im Münchener Einzugsgebiet lässt der Landkreis Miesbach ebenfalls einen etwa so hohen Zuwachs erwarten wie die bayerische Landeshauptstadt. Auch die kreisfreie mittelgroße Stadt Landshut sowie die Landkreise Erding und Ebersberg, alle im Umland von München gelegen, gehören zu den zehn Regionen mit den höchsten erwarteten jährlichen Preisanstiegen bis 2035.
Aus dem Umland Hamburgs haben es der direkt an die Hansestadt grenzende Landkreis Herzogtum Lauenburg sowie der zur Metropolregion gehörende Landkreis Lüneburg in die Top Ten geschafft. Der Landkreis Lüneburg in Niedersachsen lässt beispielsweise auf Wertzuwächse im Bereich von knapp unter zwei Prozent pro Jahr hoffen. Der Quadratmeterpreis liegt hier mit 3.404 Euro jedoch deutlich unter dem mit Regionalzügen oder PKW schnell erreichbaren Hamburg, in der der Quadratmeter mit 6.488 Euro zu Buche schlägt.
Mit der sächsischen Großstadt Leipzig ist neben Potsdam eine weitere ostdeutsche Großstadt unter den Top Ten zu finden. Auch die kreisfreie Großstadt Heilbronn in Baden-Württemberg verspricht künftige Wertsteigerungen von mehr als zwei Prozent pro Jahr. Der Preis für Eigentumswohnungen liegt mit 3.761 Euro pro Quadratmeter deutlich unterhalb dem von Stuttgart mit 5.345 Euro, wobei in der Landeshauptstadt von jährlichen Wertsteigerungen in Höhe von mehr als ein Prozent ausgegangen wird.
„Wer in einer Großstadt oder deren Umland eine Eigentumswohnung sucht, sollte Angebote besonders genau prüfen. Einzelne Objekte werden bereits überteuert angeboten und lassen keine deutlichen Preiszuwächse mehr erwarten“, sagt Grunwald. Sie rät Kaufinteressierten, bei der Bewertung eine/n Expert*in hinzuzuziehen.
Weitere Städte und Landkreise als Alternative
Die Studie zeigt aber auch, dass die Preise nicht nur in den oben genannten Regionen sowie den Big Seven weiter anziehen, sondern auch für zahlreiche weitere Großstädte sowie Landkreise ebenfalls deutliche jährliche Preiszuwächse bis 2035 erwartet werden können. Ein Preisplus von klar mehr als ein Prozent pro Jahr werden darüber hinaus für die Großstädte Darmstadt, Augsburg, Ingolstadt, Münster, Mainz, Regensburg, Freiburg und Ulm prognostiziert. Auch die Landkreise Landsberg am Lech, Cloppenburg, München, Dachau, Lörrach, Kehlheim, Landshut und Emsland gehören mit weiteren Preisschüben in gleicher Höhe zu den verheißungsvollen Alternativen. Bei den kreisfreien Mittelstädten versprechen neben Landshut die ebenfalls in Bayern gelegenen Städte Memmingen und Schwabach Preiszuwächse von mehr als einem Prozent jährlich.
„Auch nach der Corona-Pandemie wird die Arbeit im Homeoffice in vielen Jobs möglich bleiben. Das rückt auch Städte und Landkreise außerhalb der großen Zentren in den Fokus. Auch diese punkten in der Regel mit guter Infrastruktur – aber noch zu erschwinglichen Preisen“, sagt Immobilien-Expertin Grunwald. „Kaufinteressent*innen sollten allerdings genau hinsehen, ob Ausstattung und Lage den angebotenen Preis widerspiegeln.“
Trotz negativem Preistrend den Traum vom Eigenheim wagen?
Wertverluste bei Immobilien drohen dagegen in strukturschwachen Regionen mit sinkenden Bevölkerungszahlen. Das trifft insbesondere auf viele Regionen in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zu. Hier sind in den kommenden Jahren deutlich schrumpfende Bevölkerungszahlen zu erwarten. Zudem altert die Bevölkerung stark, was zu weiteren Kaufkrafteinbußen der Bevölkerung führt. In der Folge werden die Kaufpreise für Immobilien sinken. Eigentumswohnungen in der Stadt Suhl in Thüringen werden von allen deutschen Regionen voraussichtlich am stärksten an Wert verlieren. Ausnahmen, die sich im Osten Deutschlands gegen diesen Trend entwickeln, sind der Großraum Berlin sowie Leipzig, Dresden, Jena, Erfurt und Weimar.
Neben den ostdeutschen Regionen sind auch das Saarland sowie einzelne Gebiete in der Mitte Deutschlands von Preisrückgängen betroffen. Für die Ruhrgebiet-Städte Herne, Gelsenkirchen, Hagen, Duisburg und Bochum sowie das nahegelegene Remscheid im Bergischen Land wird bis 2035 von Preisrückgängen von mehr als einem Prozent pro Jahr ausgegangen.
„Beachtet werden muss, dass die Prognosen jährliche Durchschnittswerte für die gesamte betrachtete Region wiedergeben. Möglich ist somit, dass sich innerhalb der Landkreise Gemeinden mit guter Verkehrsanbindung und Infrastrukturausstattung sehr positiv, schlecht gelegene Gemeinden mit mangelndem Infrastrukturangebot wiederum sehr negativ entwickeln. Auch innerhalb von Gemeinden ist das Spektrum in der Regel weit gefächert. Je nach Anbindung, Lage und Ausstattung können sich im Einzelfall deutliche Abweichungen von den Durchschnittswerten ergeben“, sagt Grunwald. „Wer keine Wertanlage sucht, sondern langfristig ein Eigenheim für die Familie selbst nutzen will, kann sich auch in diesen Regionen den Traum erfüllen. Abbezahlte Immobilien können ein wichtiger Baustein für die Altersvorsorge sein.“
Hintergrundinformationen zum Postbank Wohnatlas 2022
Der Postbank Wohnatlas ist eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe, die den deutschen Immobilienmarkt unter verschiedenen Aspekten regional bis auf Kreisebene beleuchtet. Unter der Leitung von Diplom-Volkswirtin Dörte Nitt-Drießelmann, Senior Researcherin beim Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), wurde die Immobilienpreisentwicklung in den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten untersucht.