Trotz hoher Immobilienpreise im Speckgürtel der Großstädte lässt sich beim Kauf einer Eigentumswohnung außerhalb Stuttgarts noch Geld sparen. In der Metropole kostet der Quadratmeter im Schnitt 5.344,61 Euro. Die Durchschnittspreise in den Umlandkreisen liegen mindestens 900 Euro niedriger. Wer sich trotz Arbeitsstelle in der Stuttgarter Innenstadt für das Umland entscheidet, darf jedoch nicht vergessen, dass durch den Umzug in den Speckgürtel für den verlängerten Arbeitsweg zusätzliche Kosten für Benzin oder Zugticket anfallen und mehr Zeit eingeplant werden muss. Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat für die Postbank eine Modellrechnung entwickelt, mit der sich diese Pendelkosten beziffern lassen. Der Postbank Wohnatlas 2022 zeigt, wie viele Jahre sich der Immobilienerwerb im Umland rechnet und wann der Kostenvorteil durch das Pendeln aufgezehrt ist. Dabei wurde auch der Faktor Homeoffice einberechnet sowie erstmals größere Wohnungen etwa für Familien berücksichtigt.
Verglichen wurde jeweils der Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung sowie einer 120-Quadratmeter-Wohnung in Stuttgart mit dem Erwerb einer gleich großen Wohnung in einem der angrenzenden Landkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und dem Rems-Murr-Kreis. Dabei wurden neben den vier bevölkerungsreichsten Städten und Gemeinden des Landkreises auch alle weiteren Städte mit mehr als 20.000 Einwohnern in die Analyse einbezogen. Insgesamt wurden somit 26 Orte im Stuttgarter Umland betrachtet. Da sich in den Umlandkreisen zwischen zentral und eher abseits gelegenen Orten ein großes Preisgefälle zeigt, sollten Käufer*innen für verkehrsgünstig gelegene Wohnungen mit einem Aufschlag auf den kreisweiten Durchschnittspreis rechnen. Die Expert*innen haben mit einem 20 Prozent höheren Kaufpreis kalkuliert. Damit reduziert sich der Kaufpreisvorteil der zentral gelegenen Orte des Landkreises Ludwigsburg gegenüber Stuttgart auf nur noch 44 Euro je Quadratmeter. Die Orte im Landkreis Göppingen bieten mit einer Preisdifferenz von dann noch gut 1.610 Euro je Quadratmeter das höchste Einsparpotential im Umland von Stuttgart, gefolgt von den Orten im Rems-Murr-Kreis mit Preisunterschieden von knapp 520 Euro je Quadratmeter.
Der Kaufpreisvorteil wurde mit den jährlichen Pendelkosten verrechnet. Dabei haben die Expert*innen neben den Kosten für das Ticket im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder für das Auto samt Benzin auch den höheren Zeitaufwand einbezogen. Die Kosten sowohl für den Weg mit dem PKW als auch mit dem ÖPNV wurden in diesem Jahr angepasst – für das Auto von 0,35 auf 0,45 Euro pro Kilometer und ab 21 Kilometer einfache Entfernung auf 0,43 Euro. Die Fahrt mit Bus und Bahn wurde von 0,10 auf 0,13 Euro angehoben, ab 21 Kilometer auf 0,12 Euro.
Keine langfristigen Preisvorteile beim Kauf einer 70-Quadratmeter-Wohnung im Umland
Wird jeweils eine 70-Quadratmeter-Wohnung verglichen, profitieren Pendler*innen in keiner der angrenzenden Städte und Gemeinden länger als 25 Jahre. Am längsten lohnt sich der Umzug noch in die 32 Kilometer entfernte Stadt Ebersbach an der Fils im Landkreis Göppingen: Wer den Arbeitsweg jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt, hat den Kaufpreisvorteil der östlich von Stuttgart gelegenen Stadt gegenüber der Metropole nach 15,5 Jahren aufgebraucht, bei täglicher Fahrt mit dem Auto schrumpft diese Zeitspanne auf 8,4 Jahre. Nicht einmal ein Jahr lang profitieren Pendler*innen vom günstigeren Immobilienpreis in den Städten Ditzingen, Bietigheim-Bissingen, Remseck am Neckar und Vaihingen an der Enz, die alle im Landkreis Ludwigsburg liegen. Das liegt vor allem daran, dass die Quadratmeterpreise für Eigentumswohnungen in dem Kreis nur knapp unter denen der Metropole liegen. Die Berechnungen gelten, wenn pro Haushalt eine Person täglich pendelt, die kein Homeoffice nutzt. Zudem wurden bei den Kaufpreisen im Umland 20 Prozent Preisaufschlag gegenüber dem Durchschnittspreis des Landkreises wegen verkehrsgünstiger zentraler Lage hinzugerechnet.
Weitere Standorte, an denen der Immobilienkauf nach mehr als zehn Jahren täglichen Pendelns günstiger bleibt als im Stuttgarter Stadtgebiet, sind die Städte Göppingen (14,2 Jahre) und Eislingen/Fils (10,4 Jahre) im Landkreis Göppingen sowie Waiblingen und Fellbach (beide 11,8 Jahre) im Rems-Murr-Kreis. Allerdings gilt dies nur, wenn Bus und Bahn genutzt werden. Autofahrer*innen brauchen den Kaufpreisvorteil bereits deutlich schneller auf.
Autofahrer*innen nur in Ostfildern im Landkreis Esslingen im Vorteil
Täglich pendelnde Autofahrer*innen bleiben im gesamten Stuttgarter Umland unter der 10-Jahres-Marke und sind den ÖPNV-Nutzer*innen zumeist finanziell unterlegen. Nur in Ostfildern im Landkreis Esslingen ist der Weg auf der Straße günstiger als auf der Schiene. Allerdings kann der Umzug Kaufinteressent*innen hier nicht empfohlen werden, denn selbst Autofans haben den Preisvorteil schon nach 3,3 Jahren aufgebraucht, Pendler*innen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach 3,1 Jahren.
„Der Speckgürtel Stuttgarts ist im Vergleich zu allen anderen Metropolregionen in Deutschland eher ungeeignet für kleinere Haushalte, die sich einen Preisvorteil vom Umzug erhoffen. Das Pendeln, also das Arbeiten im Zentrum und Wohnen im Umland, ist aufgrund der geringen Kaufpreisunterschiede nur im Einzelfall die bessere Wahl“, sagt Frank Boes, Regionalbereichsleiter und Mitglied der regionalen Geschäftsleitung Süd-Mitte von der Postbank Immobilien GmbH. „Immobilieninteressent*innen sollten sich den Wohnungskauf im Umland keinesfalls schönrechnen. Als Überbrückung bis zu einem neuen Job oder dem Ruhestand können Nachteile durch längere Arbeitswege und weniger Freizeit aber kurzfristig in Kauf genommen werden.“