Auch die Immobilienmärkte vieler Großstädte nebst Umland profitieren von guten demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Unter den sogenannten „Big Seven“, also den sieben größten deutschen Metropolen, wird der stärkste Preisanstieg erneut in München erwartet. Der Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen in Deutschlands derzeit teuerster Großstadt wird nach Berechnungen der HWWI-Expert*innen bis 2035 jährlich real nochmals um mehr als zwei Prozent wachsen. In Hamburg, der derzeit zweitteuersten Stadt unter den Big 7, verläuft die Preisentwicklung demgegenüber deutlich moderater. In der Hansestadt können Besitzer*innen von Eigentumswohnungen mit einem Wertzuwachs von 0,29 Prozent pro Jahr bis 2035 rechnen.
Wohnimmobilien: Hier wird noch ein Wertzuwachs prognostiziert
Der Preisboom am Immobilienmarkt hat ein Ende: In fast der Hälfte aller 400 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte fallen die Preise für Eigentumswohnungen real und liegen bis 2035 um mindestens zwei Prozent unter dem heutigen Niveau. In jedem zehnten Gebiet stagnieren die Preise mit Werten zwischen -0,15 und +0,15 Prozent pro Jahr. Doch auch unter den Einflüssen von Inflation, steigenden Zinsen und stagnierender Nachfrage wird es am deutschen Immobilienmarkt Regionen geben, in denen Immobilienbesitzer*innen in den kommenden Jahren mit einem Wertzuwachs rechnen können. In 43 Prozent der Regionen prognostizieren die Expert*innen einen Anstieg der Kaufpreise real um mehr als 0,15 Prozent pro Jahr bis 2035. Das entspricht insgesamt einem Plus von mindestens zwei Prozent bis 2035. Reale Preiszuwächse sagen die Prognosen für weite Teile des südlichen und nordwestlichen Raums, die sieben größten Metropolen und ihr Umland sowie weitere Großstädte vorher. Leicht sinkende oder stagnierende Preise werden in ländlich geprägten mitteldeutschen Regionen erwartet. Stärkere Preiseinbrüche prognostizieren die Expert*innen für den ländlichen Raum der ostdeutschen Bundesländer abseits der Großstädte. Dies sind Ergebnisse der Studie „Postbank Wohnatlas 2022“, für die Expert*innen des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) eine Kaufpreisprognose bis 2035 erstellt haben.
Vielerorts stagnieren oder sinken die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland, der Jahre andauernde Aufwärtstrend hat ein vorläufiges Ende gefunden. Auch in der langfristigen Betrachtung stehen die Zeichen eher auf Stillstand. Doch das gilt nicht für alle Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland gleichermaßen. In wachsenden Regionen mit hohen Anteilen jüngerer, gutverdienender Erwerbstätiger an der Bevölkerung dürfen Käufer*innen und Eigentümer*innen von Wohnungen bis 2035 mit weiteren Wertzuwächsen rechnen. Fast durchgehend gute Rahmenbedingungen für Wohnimmobilien finden Eigentümer*innen und Kaufinteressierte vor allem im Süden und Nordwesten der Republik. In den Flächenländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein steigen die Kaufpreise im Durchschnitt über alle Regionen an.
Kaufpreisprognose mit dem HWWI-Wohnungsmarktmodell
Im Rahmen der Kaufpreisprognose für die 400 kreisfreien Städte und Landkreise werden Angebots- und Nachfrageentwicklungen auf Basis verschiedener Regionaldaten zur Bevölkerungs- und Altersstruktur, Haushaltsgröße, Einkommensentwicklung sowie zu Wohnausgaben und Wohnungsangebot modelliert. Das HWWI-Wohnungsmarktmodell vollzieht nach, wie sich diese Faktoren wechselseitig beeinflussen. Am Ende der Modellrechnung steht die Kaufpreisprognose für den Zeitraum 2022 bis 2035. Ausgewiesen wird der durchschnittliche jährliche reale Preistrend.
„Steigende Zinsen, Inflation und die damit schwächelnde Nachfrage lassen die Preise im Betrachtungszeitraum bis 2035 nicht mehr so stark steigen wie in den vergangenen Jahren“, sagt Manuel Beermann, Leiter Produktmanagement Immobilien. „Langfristig werden die Wertentwicklungen auf dem Immobilienmarkt vor allem durch die demografischen sowie die wirtschaftlichen Entwicklungen der jeweiligen Regionen bestimmt. In Städten und Gebieten mit starkem Zuzug und vielen Arbeitsplätzen bleiben Eigentumswohnungen begehrt und die Preise ziehen weiter an.“
Umland der Metropolen weiter begehrt
Die Big 7 und ihr Umland bleiben für Anleger*innen und Selbstnutzer*innen attraktiv. Das liegt unter anderem an den erwarteten Bevölkerungszuwächsen. Für Frankfurt am Main prognostizieren die Wissenschaftler*innen einen Zuwachs von knapp sechs Prozent bis 2035. Für Berlin liegen die Erwartungen zwischen vier und fünf Prozent. Es folgen Hamburg mit knapp vier Prozent und Stuttgart mit mehr als drei Prozent. Neben der demografischen Entwicklung wird hier auch die erwartete Einkommensentwicklung die Kaufpreise treiben. Das verfügbare Einkommen der Haushalte wird real in allen sieben Metropolen bis 2035 steigen. Für München und Frankfurt am Main berechnen die Expert*innen die höchsten Einkommenszuwächse. Zudem übersteigt in zentralen Lagen die Nachfrage vielerorts weiterhin das Angebot, was die Preise treibt.
Für Potsdam wird mit realen Preiszuwächsen von 2,71 Prozent pro Jahr das voraussichtlich stärkste prozentuale Preiswachstum aller deutschen Regionen erwartet. Die künftige Preisdynamik bis 2035 in der brandenburgischen Landeshauptstadt ist damit sogar höher als in Deutschlands teuerster Stadt München. Auf dem zweiten Platz der Regionen mit den größten prognostizierten Preiszuwächsen – und damit ebenfalls höher als die bayerische Metropole – liegt der Landkreis Erding in Bayern. Erding im Speckgürtel der Landeshauptstadt und Potsdam im Umland von Berlin lassen somit bis 2035 die größten Wertzuwächse aller deutschen Regionen erwarten. „Die Attraktivität der Metropolregionen bleibt auch nach der Corona-Pandemie ungebrochen. Wie das Beispiel München und Erding sowie Berlin und Potsdam zeigen, werden die Preise für Eigentumswohnungen im Umland sogar stärker steigen als in den Metropolen selbst. Wer allerdings dauerhaft mit Homeoffice planen kann, tendiert gerne zum Wohntraum im Speckgürtel“ so Beermann.
Sechs Regionen der Top-Ten mit den größten realen Preiszuwächsen pro Jahr liegen im Bundesland Bayern und damit in Reichweite von Deutschlands teuerster Metropole München. Dabei haben die Preise für Eigentumswohnungen auch in diesen Gegenden teilweise mit mehr als 6.500 Euro pro Quadratmeter schon viele der Big 7 überholt. In Berlin, Köln, Stuttgart und Düsseldorf kauften Immobilieninteressent*innen 2022 im Schnitt günstiger als in den bayerischen Landkreisen Ebersberg und Dachau. In Leipzig liegen die Preise für Eigentumswohnungen dagegen mit rund 3.300 Euro noch auf recht moderatem Niveau, sollen sich laut HWWI-Prognose jedoch bis 2035 besonders dynamisch entwickeln. „Die sächsische Metropole ist ein Beispiel für potenzielle Investitionschancen: Vergleichsweise moderate Preise mit Aussicht auf Wertsteigerungen in den kommenden Jahren“, sagt Manuel Beermann. „Generell sollten Kaufinteressierte Angebote in Großstädten und ihrem Umland besonders genau prüfen. Nicht immer lassen sich kurz- oder mittelfristig noch Preiszuwächse erzielen und Eigentumswohnungen werden mitunter überteuert angeboten.“
Alternativen für Kaufinteressierte
Die Studie zeigt aber auch, dass die Preise nicht nur in den oben genannten Regionen sowie den Big Seven weiter anziehen, sondern auch für weitere Großstädte sowie Landkreise jährliche Preiszuwächse bis 2035 erwartet werden können. Unter den kreisfreien Städten mit mehr als 100.000 Einwohner*innen prognostizieren die Expert*innen neben den bereits genannten Großstädten für Dresden (Sachsen), Ingolstadt (Bayern), Mainz (Rheinland-Pfalz), Münster (Nordrhein-Westfalen), Darmstadt (Hessen), Freiburg im Breisgau und Heidelberg (Baden-Württemberg) sowie Jena (Thüringen) positive reale Preisentwicklungen von mehr als einem Prozent pro Jahr. „Bei der rasanten Preisentwicklung in den Metropolen in den vergangenen Jahren rücken zunehmend weitere Großstädte in den Fokus, die bisher noch keine so extremen Sprünge gemacht haben. Viele Studierendenstädte locken mit einem vielfältigen Freizeitangebot und kurzen Wegen“, erklärt Beermann. „Heute müssen Kaufinteressierte genauer hinsehen, um Objekte in Regionen mit positivem Preistrend zu finden. Im Einzelfall sollten angehende Immobilienbesitzer*innen Ausstattung, Lage und Renovierungsstand der Immobilie genau betrachten – und sich im Zweifelsfall den Rat von Expert*innen einholen. Dies gilt mit Blick auf die energetischen Standards umso mehr.“
Eigentumswohnung auch bei negativem Preistrend?
Wertverluste bei Immobilien drohen dagegen in strukturschwachen Regionen mit sinkenden Bevölkerungszahlen. Deutliche Bevölkerungsrückgänge werden für viele Regionen in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland erwartet. Da dort gleichzeitig die Bevölkerung überdurchschnittlich altert, werden die Kaufpreise in Folge stark sinken. In den ostdeutschen Bundesländern ist insbesondere der ländliche Raum außerhalb des Großraums Berlin und der Großstädte von höheren Wertverlusten betroffen. Eigentumswohnungen in der Stadt Suhl und im Wartburgkreis in Thüringen werden von allen deutschen Regionen voraussichtlich am stärksten an Wert verlieren. Gegen den Trend entwickeln sich in Ostdeutschland der Großraum Berlin sowie andere Großstädte wie Leipzig, Jena und Dresden positiv. Unter den Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern sind die Ruhrgebietsstädte Herne, Gelsenkirchen, Hagen, Duisburg, Oberhausen, Mühlheim an der Ruhr und Bochum sowie das nahegelegene Remscheid im Bergischen Land von Preisrückgängen betroffen. Die Expert*innen prognostizieren real leicht sinkende Preise für Eigentumswohnungen im ländlich geprägten westlichen Mitteldeutschland.
„Beachtet werden muss, dass die Prognosen jährliche Durchschnittswerte für die gesamte betrachtete Region wiedergeben. Möglich ist somit, dass sich innerhalb der Landkreise Gemeinden mit guter Verkehrsanbindung und Infrastrukturausstattung sehr positiv, schlecht gelegene Gemeinden mit mangelndem Infrastrukturangebot wiederum sehr negativ entwickeln. Auch innerhalb von Gemeinden ist das Spektrum in der Regel weit gefächert. Je nach Anbindung, Lage und Ausstattung können sich im Einzelfall deutliche Abweichungen von den Durchschnittswerten ergeben“, sagt Beermann. „Wer keine Wertanlage sucht, sondern langfristig ein Eigenheim für die Familie selbst nutzen will, kann sich auch in diesen Regionen den Traum erfüllen. Abbezahlte Immobilien können ein wichtiger Baustein für die Altersvorsorge sein.“
Hintergrundinformationen zum Postbank Wohnatlas 2023
Der Postbank Wohnatlas ist eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe, die den deutschen Immobilienmarkt unter verschiedenen Aspekten regional bis auf Kreisebene beleuchtet. Für die vorliegende Preisprognose, die den zweiten Studienteil des diesjährigen Wohnatlas darstellt, wurde unter der Leitung von Diplom-Volkswirtin Dörte Nitt-Drießelmann, Senior Researcherin beim Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), die Immobilienpreisentwicklung in den 400 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten untersucht.