Hier kosten Neubauten deutlich mehr als Wohnungen im Bestand
Nicht jede*r Immobilienkäufer*in träumt vom modernen Neubau – so manche*n verzücken stuckverzierte Altbauten, schlichte Nachkriegsbauten oder der 70er-Jahre-Charme. Doch wenn statt persönlichem Geschmack der Geldbeutel entscheidet, müsste in nahezu allen 400 deutschen Regionen die Wahl auf eine vor 2021 errichtete Bestandsimmobilie fallen. Denn Neubauten kosten mit Ausnahme der Ferienregion Nordfriesland überall einen Aufpreis. In manchen Landkreisen und kreisfreien Städten kann jedoch auch der geringfügig teurere Neubau mittelfristig die günstigere Investition sein, denn Eigentumswohnungen älterer Baujahre müssen oftmals aufwendig energetisch saniert oder renoviert werden. Für den Vergleich der Preisunterschiede von Bestands- und Neubauten haben Expert*innen des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) Immobilienangebote aus dem Vorjahr ausgewertet und dabei den Kauf einer 70-Quadratmeter-Eigentumswohnung zugrunde gelegt. Nebenkosten wurden dabei nicht einbezogen. Der Postbank Wohnatlas liefert einen Überblick über die regionalen Preisabstufungen zwischen Eigentumswohnungen im Bestand und Neubauobjekten, die zwischen 2021 und 2023 fertiggestellt wurden.
Die Analyse zeigt: Vor allem in den bayerischen Ferienregionen sind Neubauten deutlich teurer als Bestandswohnungen. Die größten Preisunterschiede aller deutschen Regionen offenbaren sich im oberbayerischen Landkreis Miesbach. Er gehört zum Einzugsbereich Münchens und beinhaltet auch das Feriengebiet am Tegern- und Schliersee. Dort kostet der Quadratmeter einer vor 2021 fertiggestellten Wohnung im mittleren Preissegment 7.380 Euro, in einem Neubau hingegen fast 13.000 Euro. Beim Kauf einer 70 Quadratmeter großen Wohnung ergibt sich damit in dem Landkreis eine rechnerische Preisdifferenz von 382.474 Euro. Auch in dem ebenfalls bayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen kostet die Eigentumswohnung in einem in den vergangenen drei Jahren erbauten Haus einen satten Aufpreis von mehr als 340.000 Euro.
Wo Neubau deutlich mehr kostet
In den Top 10 der Regionen mit dem größten Neubauaufpreis sind weitere südlich gelegene Landkreise und Städte vertreten: Beispielsweise die kreisfreien Städte Erlangen (Bayern), Mainz und Speyer (Rheinland-Pfalz) sowie die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau (Bayern). Als einziger nördlicher Vertreter ist die Hansestadt Lübeck in den Top 10 der Regionen mit hohen Aufschlägen für Neubau-Eigentumswohnungen aufgeführt – dort aber mit einer Differenz von fast 300.000 Euro sogar an dritter Stelle. Auf Rang 4 und Rang 9 sind mit Stuttgart und München zwei Big-7-Metropolen ebenfalls ein teures Pflaster für Neubau-Fans im mittleren Preissegment. Berlin ist im Gegensatz zum Vorjahr nicht mehr in den Top 10 vertreten, die Differenz zwischen 70-Quadratmeterwohnungen in alten und neuen Gebäuden beträgt hier knapp unter 190.000 Euro. Auch Nürnberg und der Landkreis Starnberg (beide Bayern) haben die Top 10 verlassen. Neu eingezogen sind die Stadt Speyer und die Landkreise Fürstenfeldbruck und Dachau.
„Die hohen Preisaufschläge für jüngere Baujahre sind in einigen Regionen am Meer und an den Alpenseen durch ein geringes Angebot bei hoher Nachfrage zu erklären. Doch auch in manch anderen Gebieten sind Bestandswohnungen selbst unter Berücksichtigung aller Umbau- oder Sanierungskosten schlicht erschwinglicher“, sagt Manuel Beermann, verantwortlich für das Immobiliengeschäft der Postbank. „Eine Wohnung im Bestand lässt sich vollständig in Augenschein nehmen, anstatt sich vorzustellen, wie hell, ruhig oder geräumig die Traumimmobilie später einmal sein wird. Umso wichtiger ist es, Sachverständige oder Gutachter*innen hinzuzuziehen, die verdeckte Schwachstellen aufdecken. Um den Kaufpreis seriös beurteilen zu können, sollten Interessierte möglichst alle Mängel an Bausubstanz, Elektroinstallationen oder Dämmung kennen.“
Neubau-Luxuswohnungen haben einen noch größeren Aufpreis
Der bayerische Landkreis Miesbach verlangt nicht nur für Neubauwohnungen im mittleren Preissegment einen ordentlichen Aufschlag – auch im oberen Preissegment liegt der Landkreis mit einem Mehrpreis von 555.599 Euro bundesweit an der Spitze. Luxuswohnungen mit Blick auf Tegernsee oder Berge und hochwertiger Ausstattung finden hier mutmaßlich vor allem als Zweitwohnsitz zahlungskräftige Käufer*innen. Im Süden weisen weitere Städte und Landkreise aus der Rangliste im mittleren Segment ebenfalls große Preisdifferenzen im oberen Preissegment auf – um die 400.000 Euro beträgt der Unterschied in den Städten München und Stuttgart sowie im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, in der Stadt Speyer liegt er bei 336.000 Euro. In der Großstadt Erlangen beträgt die Differenz über 265.000 Euro. Zusätzlich findet sich in den Top 10 der größten Preisaufschläge für Neubauten bei den hochpreisigen Objekten auch die Stadt Heidelberg (Baden-Württemberg). In der Großstadt am Neckar zahlten Käufer*innen von 70-Quadratmeter-Neubauwohnungen im oberen Preissegment 507.500 Euro mehr als für die teuersten zehn Prozent im Bestand – im mittleren Preissegment sind es dort 176.394 Euro Zuschlag. Im Landkreis Lindau (Bodensee) in Bayern beträgt die Differenz zwischen Neu- und Bestandsbauten im oberen Preissegment 414.000 Euro. Der Hochtaunuskreis (Hessen) in der Metropolregion Frankfurt weist bei Luxuswohnungen Neubauaufschläge von knapp 300.000 Euro auf und im brandenburgischen Landkreis Potsdam-Mittelmark werden gut 250.000 Euro mehr verlangt.
Hier macht das Baujahr kaum einen Preisunterschied
Während die Aufpreise für Neubauten in den Großstädten recht hoch ausfallen, liegen sie in 27 Regionen Deutschlands im Durchschnitt unter 1.250 Euro pro Quadratmeter – für eine 70-Quadratmeter-Eigentumswohnung im Neubau zahlen Käufer*innen im mittleren Preissegment also maximal 87.500 Euro mehr als für Baujahre vor 2021. Beispielsweise in den Landkreisen Aurich, Leer, Wittmund, Friesland und Uelzen (Niedersachsen), dem Eifelkreis Bitburg-Prüm (Rheinland-Pfalz) sowie dem Landkreis Vorpommern-Greifswald und sowohl im Landkreis als auch in der Stadt Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) sind die Preisdifferenzen verhältnismäßig gering. Hier kann die Wahl zwischen Neubau und Bestandsimmobilie nicht nur vom Kaufpreis abhängig gemacht werden. So geht es im mittleren Preissegment im Landkreis Rostock um rund 19.000 Euro und im Landkreis Vorpommern-Greifswald um rund 63.000 Euro Zuschlag für 70 Quadratmeter in einer neu errichteten Immobilie. Die geringste Preisdifferenz besteht im Landkreis Aurich mit nur 8.287 Euro Neubau-Prämie, Eigentumswohnungen kosten dort im Bestand 3.956 Euro pro Quadratmeter, mit Baujahren ab 2021 dann 4.074 Euro.
„Bei einem geringen Aufpreis haben Neubauwohnungen vor allem den Vorteil einer energieeffizienten Bauweise. In Zeiten gestiegener Lebenshaltungs- und Wohnnebenkosten können Käufer*innen so sparen. Auch weitere Renovierungskosten bleiben zumeist aus – beispielsweise für eine neue Küche, moderne Bäder oder einen zeitgemäßen Grundriss“, sagt Manuel Beermann. „Letztendlich sollte der Kauf nicht nur vom Baujahr abhängig gemacht werden. Interessierte sollten immer alle Vor- und Nachteile der jeweiligen Eigentumswohnung abwägen.“ In einigen Regionen sind die begehrten Lagen längst bebaut. Wer hier wohnen will, wird kaum ein Neubauobjekt finden – und wenn, dann häufig auf einem nicht so ansprechenden Grundstück. Hier macht der gepflegte Altbau das Rennen. Dies gilt vor allem für die Ferienregion Nordfriesland (Schleswig-Holstein) mit den Inseln Amrum und Sylt. Hier zahlen Käufer*innen von 70-Quadratmeter-Eigentumswohnungen aus dem Bestand im Durchschnitt 61.818 Euro mehr als für Neubauten.
Hintergrundinformationen zum Postbank Wohnatlas 2024
Der Postbank Wohnatlas ist eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe, die den deutschen Immobilienmarkt unter verschiedenen Aspekten regional bis auf Kreisebene beleuchtet. Für die vorliegende Analyse, die den fünften Studienteil des diesjährigen Wohnatlas darstellt, wurde unter der Leitung von Diplom-Volkswirtin Dörte Nitt-Drießelmann, Senior Researcherin beim Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), die Immobilienpreisentwicklung in den 400 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten untersucht.