Trotz vielerorts sinkender Immobilienpreise liegen diese vor allem in den größten Städten der Republik nach wie vor auf sehr hohem Niveau. Wer sich somit für den Kauf einer Eigentumswohnung im Speckgürtel und nicht in der Innenstadt einer Metropole entscheidet, kann weiterhin Geld sparen. In Stuttgart kostete der Quadratmeter 2023 durchschnittlich 4.868 Euro. Damit mussten Käufer*innen in der Neckarmetropole im Schnitt mindestens knapp 800 Euro pro Quadratmeter mehr ausgeben als für eine durchschnittliche Immobilie in den umliegenden Landkreisen und kreisfreien Städten.
Im Umland zu wohnen und in der Stuttgarter Innenstadt zu arbeiten, hat jedoch nicht nur Vorteile: Durch den längeren Arbeitsweg fallen zusätzliche Kosten für Treibstoff oder Zugticket an und es muss mehr Zeit eingeplant werden. Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat für die Postbank eine Modellrechnung entwickelt, mit der sich diese Pendelkosten beziffern lassen. Der Postbank Wohnatlas 2024 zeigt, wie viele Jahre sich der Immobilienerwerb im Umland rechnet und wann der Kostenvorteil beim Kauf durch die erhöhten Pendelkosten aufgezehrt ist. Im Modell pendelt je Haushalt ein*e Arbeitnehmer*in. Dabei wurde auch der Faktor Homeoffice mit drei statt fünf Pendeltagen pro Woche einberechnet sowie größere Wohnungen etwa für Familien berücksichtigt.
Verglichen wurde jeweils der Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung sowie einer 120-Quadratmeter-Wohnung in Stuttgart zur Selbstnutzung mit dem Erwerb einer gleich großen Wohnung in den größten Ortschaften der fünf Landkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr-Kreis. Aus den Landkreisen wurden neben den jeweils vier bevölkerungsreichsten Städten alle Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohner*innen in die Analyse einbezogen. Insgesamt wurden 26 Städte im Umland Stuttgarts betrachtet. Käufer*innen sollten jedoch mit einem Preisaufschlag auf den Durchschnittspreis des jeweiligen Landkreises im Umland für verkehrsgünstig gelegene Wohnungen rechnen, da diese deutlich teurer sind als Immobilien in abgelegenen Ortschaften. Diesen Aufschlag haben die Expert*innen mit 20 Prozent kalkuliert.
Der Kaufpreisvorteil im Speckgürtel wurde mit den jährlichen Pendelkosten verrechnet. Dabei haben die Expert*innen neben den Kosten für das Ticket im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder für das Auto inklusive Treibstoff auch den höheren Zeitaufwand einbezogen. Die Kosten für die Fahrt mit dem Auto liegen nach Abzug von Steuervergünstigungen durch die Pendler*innenpauschale bei 0,45 Euro pro Kilometer und ab 21 Kilometer einfache Entfernung bei 0,43 Euro. Die Fahrt mit Bus und Bahn wird mit 0,13 Euro pro Kilometer und ab 21 Kilometer mit 0,12 Euro pro Kilometer veranschlagt. Die jährlichen Mobilitätskosten im ÖPNV wurden durch die Einführung des 49-Euro-Tickets nach Abzug von Steuervergünstigungen auf 540 Euro gedeckelt.
Keine längerfristigen Preisvorteile im Umland für Käufer*innen von 70-Quadratmeter-Wohnungen
Wird jeweils eine 70-Quadratmeter-Wohnung verglichen, profitieren Pendler*innen aufgrund der geringen Preisunterschiede zwischen Metropole und Umland in keiner der angrenzenden Städte und Gemeinden länger als 25 Jahre. Am ehesten lohnt sich der Umzug in die 32 Kilometer entfernte Stadt Ebersbach an der Fils im Landkreis Göppingen: Wer den Arbeitsweg jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt, hat den Kaufpreisvorteil der östlich von Stuttgart gelegenen Stadt gegenüber der Metropole nach 14,1 Jahren aufgebraucht, bei täglicher Fahrt mit dem Auto schrumpft diese Zeitspanne auf 6,6 Jahre. Für Arbeitnehmer mit Homeofficemöglichkeit, die dreimal in der Woche nach Stuttgart mit öffentlichen Verkehrsmitteln pendeln, erhöht sich der Zeitraum auf 22,5 Jahre. Durchschnittskäufer*innen sollten jedoch darauf achten, dass die erhöhten Pendelkosten mindestens 25 Jahre lang durch die Kaufpreisersparnisse gedeckt werden. Dies entspricht in der Regel der restlichen Lebensarbeitszeit eines Immobilienkäufers oder einer Immobilienkäuferin, der oder die in Deutschland im Durchschnitt 40 Jahre alt ist. Unter diesen Voraussetzungen lohnt sich der Umzug in keine Umlandkommune.
„Der Speckgürtel Stuttgarts ist im Vergleich zu allen anderen Metropolregionen in Deutschland eher ungeeignet für Käufer*innen von 70-Quadratmeter-Wohnungen, die sich einen Preisvorteil vom Umzug erhoffen. Das Pendeln, also das Arbeiten im Zentrum und Wohnen im Umland, ist aufgrund der geringen Kaufpreisunterschiede nur im Einzelfall die bessere Wahl“, sagt Manuel Beermann, verantwortlich für das Immobiliengeschäft der Postbank. „Immobilieninteressierte sollten sich den Wohnungskauf im Umland keinesfalls schönrechnen. Als Überbrückung bis zu einem neuen Job oder dem Ruhestand können Nachteile durch längere Arbeitswege und weniger Freizeit aber kurzfristig in Kauf genommen werden.“
Im Landkreis Ludwigsburg liegen die Immobilienpreise mit einem Aufschlag von 20 Prozent für zentrale Lagen sogar noch über dem Durchschnittspreis der Landeshauptstadt. In Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen, Kornwestheim, Vaihingen an der Enz, Remseck am Neckar und Ditzingen zahlen Immobilienkäufer*innen durchschnittlich 4.919 Euro pro Quadratmeter und damit rund 50 Euro mehr als im Durchschnitt in Stuttgart. Im Landkreis Böblingen liegen die Quadratmeterpreise mit durchschnittlich 4.898 Euro rund 30 Euro über denen der Neckarmetropole. Rein rechnerisch lohnt sich für Beschäftigte mit Arbeitsplatz in Stuttgart ein Kauf von verkehrsgünstig gelegenen Wohnungen in diesen Landkreisen daher nur in Ausnahmefällen. „Die sinnvollere Option könnte darin liegen, in Stuttgart nach Wohnungen zu suchen, deren Preis unter dem Durchschnittspreis der Landeshauptstadt liegt“, sagt Beermann.