Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Federal Reserve (Fed) in den USA haben lange Zeit mehr oder weniger unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit agiert: Geldpolitik war vor allem etwas für Politiker und Finanzexperten. Dieses Bild hat sich längst gewandelt: Vor allem die unter anderem mit dem Thema Inflation verbundenen Zinsentscheidungen der Notenbanker werden heute auch von vielen Verbrauchern und Privatanlegern genau verfolgt.
Notenbanken – die geldpolitischen Supermächte
Die Aufgaben der Währungshüter
Notenbanken, die auch als Zentralbanken bezeichnet werden, sind seit jeher für die Funktionsfähigkeit des Geldwesens in einem Land oder einem Währungsgebiet wie zum Beispiel der Eurozone verantwortlich und besitzen das Notenprivileg, also das Recht zur Ausgabe von Banknoten. Zudem verwalten sie die Währungsreserven. Ziel all ihrer Bestrebungen ist es, die Preisstabilität zu wahren, also einen langfristig zu hohem Preisanstieg (Inflation) beziehungsweise Preisverfall (Deflation) zu verhindern. Hinzu kommt die Unterstützung der Wirtschafts- beziehungsweise Arbeitsmarktpolitik, sofern sie dem Inflationsziel nicht entgegensteht. Hier können sich die Schwerpunkte einzelner Notenbanken unterscheiden: Während beispielsweise die EZB die Preisstabilität als vordringlich definiert hat, betont die Fed die Gleichwertigkeit beider Ziele.
Um ihre Ziele besser erreichen zu können, sollen Notenbanken in vielen Ländern unabhängig von der Politik agieren können. Dadurch soll vermieden werden, dass Regierungen die Geldpolitik kurzfristig zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, ohne die langfristigen Folgen zu beachten. In der Realität ist eine klare Trennung zwischen der Geldpolitik der Notenbanken und der Fiskalpolitik von Staaten allerdings kaum möglich. Unter Fiskalpolitik versteht man alle Maßnahmen eines Staates, mit denen dieser versucht, die konjunkturellen Entwicklungen zu lenken, zum Beispiel Konjunkturprogramme.
Insbesondere in Krisenzeiten, etwa zuletzt während der Coronavirus-Pandemie, können die Grenzen zwischen Geldpolitik und Fiskalpolitik verschwimmen, wodurch geldpolitische Entscheidungen an globaler Tragweite gewinnen können.
Geldpolitische Instrumente
Die Notenbanken können auf verschiedene Instrumente zurückgreifen, um ihre Ziele zu erreichen und beispielsweise Einfluss auf die Geldmenge, die Zinsen oder die Inflation (Teuerungsrate) zu nehmen. Die wichtigsten davon sind die Anpassung der Leitzinsen, die Änderung der Mindestreservesätze sowie die sogenannte Offenmarktpolitik.
- Leitzinsen: Der Leitzins, genauer gesagt der Hauptrefinanzierungssatz als einer von mehreren Leitzinsen, bezeichnet den Zinssatz, zu dem die Notenbanken Geschäfte mit den Geschäftsbanken tätigen, ihnen also zum Beispiel Geld leihen. Sinkt der Leitzins, werden tendenziell auch die Kredite für Unternehmen und Verbraucher bei den Geschäftsbanken günstiger und die Anlagezinsen fallen. Es wird also attraktiver, einen Kredit aufzunehmen und Geld zu investieren statt es zu horten. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten versuchen Notenbanken damit die Konjunktur zu stimulieren und eine Deflation (Preisverfall) zu verhindern. Steigt hingegen der Leitzins, wird Geld „teurer“, die Kreditvergabe wird gebremst und die im Umlauf befindliche Geldmenge nimmt ab – zumindest in der Theorie. Dadurch können Notenbanken einer hohen Inflation entgegenwirken.
- Mindestreservesätze: Geschäftsbanken wie zum Beispiel die Postbank müssen einen bestimmten Anteil ihrer gesamten Einlagen bei „ihrer“ Notenbank (für deutsche Banken ist das die Bundesbank) als Sicherheit hinterlegen. Dieses Geld steht den Banken nicht zur Kreditvergabe zur Verfügung. Erhöht die Notenbank den Mindestreservesatz, entzieht sie Banken also Liquidität (flüssige Mittel) und verknappt die Geldmenge, was inflationshemmend wirkt.
- Offenmarktpolitik: Darunter versteht man vereinfacht gesagt den Handel der Notenbanken mit Wertpapieren. Während der Finanzkrise und auch in der Coronavirus-Krise haben Notenbanken zum Teil massiv Staatsanleihen von in Schieflage geratenen Staaten gekauft, um diese zu stützen. Staaten benötigen laufend Liquidität, um zu funktionieren. Für die betroffenen Länder wäre es in den Krisenzeiten schwierig gewesen, sich am freien Markt entsprechende Kredite zu einem vertretbaren Zins zu beschaffen. Diese „Rettungsprogramme“ hatten wirtschaftlich Erfolg, sorgten aber auch für eine Ausweitung der Geldmenge – ein Nährboden für steigende Inflationsraten.
Inflation im Fokus
Dank extrem niedriger Leitzinsen von null Prozent (EZB) oder nahe null Prozent (Fed), niedriger Mindestreservesätze und milliardenschwerer Anleihekaufprogramme ist es den Notenbanken in den zurückliegenden Krisenzeiten gelungen, die Wirtschaft zu stützen und eine Deflation zu vermeiden. Sie waren damit einer der wichtigsten Player bei der Bewältigung dieser Krisen.
Mit der Rückkehr der Inflation im Jahr 2021 stellte sich den Notenbanken eine neue Herausforderung: Eine Fortführung ihrer extrem expansiven (unterstützenden) Geldpolitik hätte die Preissteigerungen weiter nach oben treiben können. Die Fed hat deshalb im Frühjahr 2022 als eine der ersten wichtigen Notenbanken Schritte unternommen, um die Geldmenge einzudämmen und der Inflation entgegenzuwirken. Dazu gehörten das Auslaufenlassen ihrer Anleihekaufprogramme und die allmähliche Anhebung des Leitzinses. In Europa sind vergleichbare Schritte mit etwas zeitlicher Verzögerung eingeleitet worden. Mittlerweile haben beide Notenbanken erneut eine geldpolitische Wende eingeleitet und damit begonnen, ihre Leitzinsen zu senken. Ein Grund dafür ist, dass sich sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks die Inflationsraten den von den Notenbanken langfristig angestrebten Werten angenähert haben.
Was bedeutet dies für Sparer und Anleger?
Für Sparer sind sinkende Zinsen grundsätzlich keine gute Nachricht. Denn nur wenn das Niveau der Sparzinsen über der Teuerungsrate liegt, bleiben die Realrenditen – der Zinsertrag abzüglich der Inflation – positiv, das gesparte Kapital verliert also nicht an Kaufkraft. Wer einen Kredit aufnehmen will, etwa um eine Immobilie zu kaufen, könnte jedoch von sinkenden Zinsen profitieren.
An den Kapitalmärkten könnte eine Senkung der Leitzinsen zu steigenden Atienkursen führen, da niedrigere Zinsen für festverzinsliche Anlagen Investitionen in Aktien attraktiver machen. Zudem könnten niedrigere Zinsen die Wirtschaft ankurbeln, was die Unternehmensgewinne und damit die Aktienkurse positiv beeinflussen könnte. Auf absehbare Zeit dürfte es jedoch an auf den Kapitalmärkten bei einer erhöhten Schwankungsintensität bleiben ¬– sowohl im Hinblick auf Anlageklassen als auch auf einzelne Sektoren innerhalb dieser Klassen. Insgesamt scheint in einem solchen Umfeld ein breit gestreutes Anlageportfolio ratsam, das neben Aktien und Anleihen auch alternative Anlagen wie beispielsweise Immobilien beinhalten könnte.