Arbeits­zeit­er­fa­ssung nun Pflicht – was gilt ab sofort?

Die Arbeitszeiterfassung ist beschlossene Sache: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Entscheidungsgründe für das Urteil zur Arbeitszeiterfassung kürzlich veröffentlicht. Damit haben Arbeitgeber jetzt mehr Klarheit, was ihre Pflichten in Bezug auf die Zeiterfassung von Arbeitsstunden anbelangt. Wie das in der Praxis aussieht und welche Rolle Zeiterfassungssysteme dabei spielen – informieren Sie sich hier, wie Sie die Zeiterfassung für Ihre Mitarbeitenden richtig umsetzen.

Was be­deutet Arbeits­zeit­er­fas­sung?

Arbeitszeiterfassung beschreibt die korrekte und vollständige Dokumentation der geleisteten Arbeitszeiten von Arbeitnehmenden. Die Arbeitszeit selbst lässt sich wie folgt definieren: Sie umfasst den Zeitraum, in dem Mitarbeitende ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht nachgehen. Unbezahlte Pausen und Ruhezeiten sind dagegen nicht Teil der Arbeitszeit.

Die Arbeitszeiterfassung verfolgt mehrere Ziele: Einerseits geht es um den Arbeitsschutz, das heißt, die Zeiterfassung soll Arbeitnehmende vor Überlastung am Arbeitsplatz schützen und die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) garantieren. Andererseits ist die faire Vergütung von Überstunden ein großer Knackpunkt. Jede zweite Überstunde in deutschen Unternehmen wurde im Jahr 2021 nicht bezahlt, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit herausfand. Dabei handelt es sich alljährlich um Milliardenbeträge.

Bereits im September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht ein wegweisendes Urteil zur Arbeitszeiterfassung gefällt. Damit sind alle Unternehmen dazu verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden umfassend zu dokumentieren. Auf die richterliche Entscheidung folgten nun die Entscheidungsgründe – damit stehen die Eckdaten zur Zeiterfassung fest.

Was muss ich als Arbeit­geber wis­sen?

Die Arbeitszeiterfassung ist für jeden Betrieb verpflichtend, unabhängig von der Größe und Branche. Daher sind die neuen Regelungen auch für kleine Firmen und Selbstständige relevant, die zum Beispiel ein kleines Start-up gründen und Personal einstellen wollen.

Das sind die wichtigsten Punkte zur Arbeitszeiterfassung:

  • Zeiterfassung ist Pflicht: Die Pflicht ergibt sich aus der Entscheidung des BAG, das sich dabei auf das Arbeitsschutzgesetz und die EU-Vorgaben beruft. Daher bedarf es keiner Gesetzesänderung, wenn auch eine Gesetzesinitiative 2023 folgen soll. Es gibt daher keine Übergangsfrist. Als Arbeitgeber müssen Sie Ihr Personal aus diesem Grund ab sofort anweisen, die Arbeitszeiten zu erfassen.
  • Zeiterfassungssystem: Wie Sie die Arbeitsstunden Ihrer Mitarbeitenden dokumentieren – ob zum Beispiel digital mit einer Software oder in Form einer klassischen Stempelkarte – bleibt Ihnen überlassen. Dazu hat das Gericht keine Details festgelegt.
  • Ausnahmen: Da das Arbeitszeitgesetz bestimmte Ausnahmen für Führungskräfte vorsieht, können unter Umständen abweichende Regelungen für die Arbeitszeiterfassung gelten.
  • Zeiterfassung ist keine Option: Das BAG weist ausdrücklich darauf hin, dass die Arbeitszeiterfassung tatsächlich stattfinden muss. Es reicht daher nicht aus, Ihrem Personal lediglich die Möglichkeit hierfür (zum Beispiel durch ein digitales Zeiterfassungssystem) anzubieten.
  • Vertrauensarbeitszeit: Eine generelle Kontrolle der erfassten Arbeitszeiten ist nicht vorgeschrieben. Damit bleibt Vertrauensarbeitszeit weiterhin als mögliches Arbeitsmodell in deutschen Unternehmen erhalten, sodass Mitarbeitende ihre Arbeitszeit weitestgehend selbstverantwortlich gestalten können. Dennoch müssen betroffene Arbeitnehmende ihre Arbeitszeit stets erfassen. Als Arbeitgeber sind Sie zudem in der Verantwortung, die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes einzuhalten. Treffen Sie daher klare Anweisungen und prüfen Sie die Zeiterfassung zumindest stichprobenartig.

Tipp

Als selbstständig tätige Person, sei es als Freelancer:in oder Gewerbetreibende:r, müssen Sie Ihre eigenen Arbeitszeiten nicht aufzeichnen. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betrifft nur Ihre Mitarbeitenden.

Wel­che Zeit­er­fas­sungs­systeme gibt es?

Um die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeiter:innen zu erfassen, haben Sie grundsätzlich mehrere Möglichkeiten. Die konventionelle Stempeluhr stellt nach wie vor eine praktische und preiswerte Methode dar. Mit der fortschreitenden Digitalisierung in Unternehmen setzen sich jedoch vielerorts neue Zeiterfassungssysteme durch. Mit digitalen Lösungen erfolgt die Arbeitszeiterfassung automatisiert und es gibt noch einen entscheidenden weiteren Vorteil: Sie können damit auch die Arbeitszeiten von Mitarbeitenden korrekt erfassen, die im Homeoffice tätig sind und nicht an der Stechuhr im Büro vorbeikommen.

Es existieren zahlreiche Tools, die eine digitale Zeiterfassung ermöglichen. Das kann zum Beispiel eine App auf dem Smartphone oder eine webbasierte Software sein. Im Prinzip muss das Zeiterfassungssystem eine simple Funktion bieten – und zwar den Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeiten eines jeden Arbeitnehmenden aufzeichnen. Darüber hinaus stellen die meisten Zeiterfassungssysteme eine Reihe weiterer Features zur Verfügung, dazu gehören Urlaubsplanung, Projektzeiterfassung und Schnittstellen zu Lohnbuchhaltungsprogrammen. Einige bekannte Anbieter für Zeiterfassungssysteme sind:

Tipp

Falls Sie sich für ein (kostenloses) Tool zur Zeiterfassung entscheiden, achten Sie darauf, dass es rechtskonform (DSGVO, Arbeitszeitgesetz, Betriebsverfassungsgesetz etc.) ist. Wählen Sie das Zeiterfassungssystem passend zu Ihrem Team aus – für Personal im Büro kann eine andere Lösung sinnvoll sein als für mobile Mitarbeitende.

Zeit­er­fas­sung: Wie lange muss ich die Da­ten auf­be­wah­ren?

Was die Dauer der Aufbewahrung betrifft, finden sich schon heute Regelungen im Arbeitszeitgesetz sowie im Mindestlohngesetz und im Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG). Demnach müssen Sie die Dokumentation für mindestens zwei Jahre aufbewahren. Das Steuerrecht sieht wiederum eine 6-jährige Aufbewahrungsfrist für Geschäftsunterlagen vor, die für die Besteuerung von Bedeutung sind. Falls Überstunden geleistet wurden, beträgt die Aufbewahrungsfrist sogar zehn Jahre. Da die Arbeitszeiterfassung häufig Teil der Lohnabrechnung ist, sollten Sie Ihre Aufzeichnungen daher für diesen Zeitraum behalten.

Tipp

Als Chef:in haben Sie immer eine Vorbildfunktion. Wenn Sie schon am Sonntag per E-Mail die Aufgaben für die kommende Woche präsentieren, üben Sie unwillkürlich Druck auf Ihre Mitarbeitenden aus. Um Überlastung im Job zu vermeiden, ist neben der Zeiterfassung daher auch ein Überdenken der Arbeitskultur wichtig.