Banking & Finanzierung

Strategien gegen die Insolvenz

Wie sich Unternehmen gegen eine drohende Zahlungsunfähigkeit wappnen können.

Es sind beunruhigende Zahlen: Der Creditreform Wirtschaftsforschung zufolge hat die Zahl der Firmenpleiten im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 16 Prozent auf 8.571 zugenommen – eine größere prozentuale Steigerung hatte es zuletzt 2002 gegeben. Und der Trend scheint sich fortzusetzen: Laut dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) lag die Zahl der Insolvenzen im Oktober 12 Prozent über dem Oktober-Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie. Die dem Insolvenzgeschehen um etwa drei Monate vorlaufenden IWH-Frühindikatoren sind seit August deutlich und kontinuierlich angestiegen und liegen mittlerweile etwa ein Fünftel höher als im Juli. Daher rechnet das Institut für die nächsten Monate mit schrittweise steigenden Insolvenzzahlen.

Fest steht: Die Belastungen für Unternehmen werden nicht kleiner. Dazu gehören nach wie vor hohe Preise für Energie, Rohstoffe und Vorprodukte, steigende Kreditzinsen sowie das schlechte Konsumklima – und das oft bei einer gleichzeitig erforderlichen Transformation der Geschäftsmodelle, etwa im Hinblick auf Nachhaltigkeit oder den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Zudem steigt bedingt durch die noch immer hohe Inflation und den zunehmenden Fachkräftemangel der Lohndruck. Vor diesem Hintergrund tun Unternehmen gut daran, beizeiten Strategien gegen eine möglicherweise drohende Insolvenz zu entwickeln.

Überblick verschaffen, Liquidität sichern – 7 Maßnahmen zur Vorbeugung einer Insolvenz

  1. Kennzahlen im Blick behalten

    Zur Früherkennung einer drohenden Insolvenz ist es unerlässlich, die Geschäftsentwicklung und die wichtigsten Kennzahlen des Unternehmens immer genau im Blick zu haben. Ein deutliches Warnsignal ist es zum Beispiel, wenn bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Ausgaben die Einnahmen regelmäßig rückläufig sind. Voraussetzung für einen guten Überblick sind sauber geführte Bücher und eine vorausschauende Erfolgs- und Liquiditätsplanung. Auch kleinere Betriebe sollten dafür auf digitale Unterstützung setzen, zum Beispiel webbasierte Buchführungsprogramme. Mit wenigen Klicks lassen sich damit in der Cloud (englisch für „Wolke“), also auf dem Server des Anbieters, Angebote verwalten, Rechnungen stellen oder gleich der gesamte Jahresabschluss erledigen. Postbank Geschäftskunden können hier von exklusiven Kooperationen profitieren.

  2. Liquidität erhöhen

    Um ihre Zahlungsfähigkeit jederzeit sicherstellen zu können, sollten sich Unternehmen intensiv ihrer Liquiditätsplanung widmen und diese fortlaufend ihrer Geschäftsentwicklung anpassen. Wird im Rahmen der Liquiditätsplanung ein drohender Liquiditätsengpass identifiziert, etwa weil eine Finanzierung ausläuft, sollte das betroffene Unternehmen so schnell wie möglich handeln und das Gespräch mit der Hausbank suchen. Auch wenn sich durch externe Ereignisse, zum Beispiel gestiegene Energiekosten, die Rahmenbedingungen für das Unternehmen kurzfristig ändern, ist die Hausbank bei einer rechtzeitigen Kontaktaufnahme oft bereit, Unterstützung zu geben, etwa durch die (saisonale) Ausweitung einer Kreditlinie. Um Schwankungen bei Einnahmen und Ausgaben abfedern zu können, sollten Unternehmen zudem immer über eine gewisse Liquiditätsreserve verfügen. Rücklagen lassen sich mittlerweile auch wieder rentierlich auf Termingeldkonten anlegen. Größere Investitionen empfehlen sich für Unternehmen in der Regel nur dann, wenn sie solide durchfinanziert werden können. Auch dafür empfiehlt sich ein Beratungsgespräch mit der Hausbank.

    Eine gute Möglichkeit, kurzfristig für Liquidität zu sorgen, kann der
    Verkauf von nicht benötigtem Anlagevermögen wie Immobilien oder Fahrzeugen sein. Falls erforderlich können diese im Rahmen von „Sale-and-lease-back“-Vereinbarungen zurückgemietet oder -geleast werden. Die dafür anfallenden Mieten oder Leasingraten müssen von den Unternehmen allerdings als laufende Kosten eingeplant werden und dürfen auf Dauer nicht zu Liquiditätsproblemen führen. Komplett falsch wäre es, übereilt beim Einkauf von zur Auftragserfüllung benötigtem Material zu sparen, entsprechende Maschinen und Anlagen zu verkaufen oder unentbehrliche Mitarbeitende zu entlassen.

  3. Forderungen eintreiben

    Zeichnet sich ein ungesundes Verhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen ab, sollte zunächst die Angebotskalkulation überprüft werden. Passen die aufgerufenen Preise noch zu den Kosten für Material und benötigte Energie? Wurden inflationsbedingte Lohnerhöhungen einberechnet? Können Preise durch Preisgleitklauseln angepasst werden? Danach gilt es, die Außenstände in den Blick zu nehmen. Bei Zahlungsausfällen von Kunden sollte sofort reagiert werden. Nach wiederholter erfolgloser Zahlungsaufforderung muss ein Mahnbescheid beantragt werden. Bei schwierigen Fällen kann ein Inkasso-Unternehmen hinzugezogen werden. Kontakt zu seriösen Dienstleistern gibt es beim Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen. Bei neuen Kunden kann es sich anbieten, durch das Einholen einer Wirtschaftsauskunft vorab deren Bonität zu prüfen oder An- und Vorauszahlungen beziehungsweise Zahlungsbürgschaften zu vereinbaren. Ein Verzeichnis seriöser Wirtschaftsauskunfteien findet sich beim Verband „Die Wirtschaftsauskunfteien“. Unter Umständen kann es sich empfehlen, zum Schutz vor dem Ausfall offener Forderungen eine Kreditversicherung abzuschließen. Die entsprechenden Versicherer bieten ihren Kunden häufig auch Informationen über die Zahlungsfähigkeit von potenziellen Geschäftspartnerinnen oder Geschäftspartnern an.

  4. Finanzierungsspielraum anpassen

    Im Falle eines absehbar kurzfristigeren Liquiditätsengpasses kann versucht werden, mit der Hausbank einen größeren Rahmen beim Kontokorrentkredit oder eine Bodensatzfinanzierung auszuhandeln. Das funktioniert allerdings nur, wenn plausibel dargelegt werden kann, dass es sich nur um einen zeitlich begrenzten Engpass beziehungsweise kapitaldienstfähigen Kredit handelt. Auch dafür ist eine transparente Buchführung unerlässlich (siehe Punkt 1).

  5. Finanzierungsalternativen prüfen

    Für Entlastung auf der Finanzierungsseite können alternative Finanzierungsformen wie Leasing beziehungsweise Factoring, also der Verkauf von Forderungen, sorgen. Factoring etwa kann sich besonders für Unternehmen eignen, die sich auf Kundenseite mit langfristigen Zahlungszielen und auf Lieferantenseite mit kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen konfrontiert sehen. Bei der Aufnahme von Krediten gilt es zu prüfen, ob zinsgünstigere Förderkredite zur Verfügung stehen. Auch hier empfiehlt sich ein Beratungsgespräch mit der Hausbank.

  6. Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen

    Befindet sich ein Unternehmen in der Krise oder steuert darauf zu, sollte nicht nur die Einnahmen-Ausgaben-Planung genau unter die Lupe genommen werden, sondern auch das grundsätzliche Geschäftsmodell. Sind die Produkte und Dienstleistungen noch zeitgemäß? Gibt es neue Wettbewerber? Hapert es an neuen Kunden, weil das Marketing oder die Nutzung digitaler Vertriebskanäle vernachlässigt wird? Werden Stammkunden ausreichend über neue Produkte oder Angebote informiert? Gegebenenfalls kann hier ein externer Berater hinzugezogen werden. Staatliche Förderung dafür gibt es im Rahmen des Bundesprogramms „Förderung von Unternehmensberatungen für KMU“ in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses.

  7. Insolvenzexperten hinzuziehen

    Rechnungen können nicht mehr pünktlich bezahlt werden? Das Geschäftskonto ist regelmäßig im Minus? Dann ist es fünf vor zwölf und es könnte ratsam sein, sich mit einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer mit Insolvenzrecht-Expertise auszutauschen. Dieser hilft bei der Ermittlung des Insolvenzstatus und begleitet im besten Fall das zukünftige Verfahren.

Arbeitslos als Selbstständiger

Muss der Geschäftsbetrieb eines Unternehmens eingestellt werden, zum Beispiel weil es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens nicht saniert werden kann, mündet das für die Betriebsinhaberin beziehungsweise den Betriebsinhaber möglicherweise in der Arbeitslosigkeit. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I besteht dann nur, wenn die- beziehungsweise derjenige in den der Arbeitslosigkeit vorangegangenen 30 Monaten mindestens 12 Monate freiwillig oder – bei einer Festanstellung – verpflichtend bei der Agentur für Arbeit gegen Arbeitslosigkeit versichert war.

Tipp: Wer sich als Selbstständige oder Selbstständiger in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung versichern möchte, muss in den 30 Monaten vor Aufnahme der Selbstständigkeit mindestens 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein oder unmittelbar vor der Selbstständigkeit Arbeitslosengeld I bezogen haben. Der Antrag auf ein Versicherungspflichtverhältnis muss spätestens drei Monate nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit abgegeben werden – zusammen mit einem Nachweis über die selbstständige Arbeit, beispielsweise einer Gewerbeanmeldung oder einer Bescheinigung des Finanzamtes. Außerdem müssen Antragsteller nachweisen, dass die selbstständige Tätigkeit regelmäßig mindestens 15 Stunden in der Woche beträgt. Der Beitragssatz der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung liegt 2023 bei 2,6 Prozent vom Durchschnittsentgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung (Westdeutschland 3.395 Euro und Ostdeutschland 3.290 Euro). Mehr Informationen gibt es in einem Merkblatt der Agentur für Arbeit.

Alle Angaben ohne Gewähr; Stand: November 2023
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